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Die politischen Empfehlungen des WHI im Rückblick

Nach aktuellem Stand droht die Welt das Ziel, den globalen Hunger bis 2030 zu beenden, zu verfehlen. Dennoch bleibt das Ziel wichtig und langfristig erreichbar. Um Wege zur Überwindung des Hungers aufzuzeigen, empfehlen die WHI-Berichte seit langem eine faktenbasierte Politik. Nun, zum 20. Jubiläum des WHI, ist es sinnvoll, auf frühere politische Empfehlungen zurückzublicken, um nachhaltige Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen. Die Empfehlungen der letzten 20 Jahre umfassten ein breites Spektrum an Lösungen, von der Stärkung der Regierungsführung und Rechenschaftspflicht bis hin zu Investitionen in Klimaresilienz und die Transformation der Ernährungssysteme. Die Empfehlungen verdeutlichen, dass Absichten stets mit anhaltendem politischem Willen, Reformen und konkreten Maßnahmen einhergehen müssen. Die zentrale Botschaft bleibt: Hunger existiert nicht, weil uns die Lösungen fehlen, sondern weil wir sie noch nicht vollständig umgesetzt haben.

Nationale Politik, Recht und Governance

Die häufigsten politischen Empfehlungen im WHI beziehen sich auf nationale Politik, Recht und Governance. Im Laufe der Jahre haben sich die Empfehlungen von einer Betonung der Handels- und Marktreformen zu einem Fokus auf Rechte, Gerechtigkeit sowie Rechenschaftslegung und, in jüngerer Zeit, zur Einbeziehung der Konfliktsensibilität weiterentwickelt.

Die früheren Empfehlungen des WHI konzentrierten sich auf die Stabilisierung der globalen Märkte, die Liberalisierung des Handels und die Reform der Biokraftstoff-Politik, die in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stand. Rechtsreformen, insbesondere im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit, wurden ebenso diskutiert wie Forderungen nach einer Stärkung lokaler Akteure und einer Verbesserung der Zugriffsmechanismen auf Nahrungsmittel.

Ab 2012 richteten sich die Empfehlungen verstärkt auf staatliche Regulierung und entwicklungsorientierte Maßnahmen zugunsten armer Bevölkerungsgruppen. Im Mittelpunkt stand die Forderung nach mehr Transparenz auf den Lebensmittelmärkten, besserem Zugang zu lokalen Märkten und der Förderung regionaler Integration. Immer wichtiger wurden zudem die Rolle von Daten, Frühwarnsystemen und dem Aufbau lokaler Kapazitäten – ein Zeichen für den Wandel hin zu institutioneller Vorsorge und dezentralen Lösungen.

Ein wichtiger Wendepunkt kam um das Jahr 2017, als Rahmenwerke für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit in die Diskussion rund um Governance einbezogen wurden. Regierungen wurden aufgefordert, ihre Bürger*innen vor missbräuchlichen Geschäftspraktiken zu schützen, die Beteiligung an Entscheidungsprozessen zu verbessern und die Handels- und Agrarpolitiken auf ökologische Nachhaltigkeit auszurichten. Konfliktsensibilität, Landrechte und die Bedürfnisse von Vertriebenen rückten in den Mittelpunkt der Governance-Agenden – ein Zeichen dafür, dass die politischen und strukturellen Ursachen von Ernährungsunsicherheit zunehmend anerkannt werden.

In den vergangenen Jahren konzentrierten sich die Empfehlungen auf die Durchsetzbarkeit des Rechts auf Nahrung durch nationales Recht, institutionelle Rechenschaftslegung und den Abbau struktureller Ungleichheiten. Während Konflikte und Krisen stärker in den Mittelpunkt rückten, rief der Ansatz des Humanitarian-Development-Peace-Nexus dazu auf, humanitärer Hilfe, langfristige Entwicklung und Friedensförderung zu verbinden. In diesem Zeitraum wurden eine inklusive Regierungsführung, die Integration von Klima- und Geschlechtergerechtigkeit sowie stärkere internationale Rechtsrahmen in den Vordergrund gestellt. Regierungen wurden aufgefordert, ihre Anstrengungen sektorenübergreifend zu bündeln, die lokale Governance zu stärken und Krisen wirksam zu begegnen – mit rechtlichen und finanziellen Mechanismen, die an Frühwarnsysteme für Hunger gekoppelt sind.

Ländliche Entwicklung und Landwirtschaftliche Förderung

Die Empfehlungen zur Entwicklung ländlicher Gebiete und zur landwirtschaftlichen Förderung wandelten sich von produktivitätsorientierten Strategien zu integrativen, resilienzorientierten Ernährungssystemen, die die Bereiche Klima, Konflikte und Gerechtigkeit einbeziehen.

Die ersten Empfehlungen des WHI forderten, der Entwicklung ländlicher Gebiete Vorrang einzuräumen, wobei der Schwerpunkt auf dem Aufbau der Infrastruktur, der Verbesserung des Zugangs zu Produktionsmitteln wie Düngemitteln und Saatgut sowie der Steigerung der Produktivität liegen sollte. Investitionen in die Agrarforschung und Wertschöpfungsketten wurden als Schlüssel zu Ernährungssicherung und wirtschaftlicher Entwicklung betrachtet.

Spätere Empfehlungen konzentrierten sich stärker darauf, wirksame technische Lösungen zu verbreiten. Neben der Produktivität rückten die besonderen Bedürfnisse von Frauen und jungen Menschen in der Landwirtschaft sowie ökologisch nachhaltige Praktiken in den Fokus.

Anfang 2020 wurde zunehmend die Unterstützung kleiner Produzent*innen, die Verbesserung der Lebensbedingungen in ländlichen Gebieten und die Verknüpfung ländlicher und städtischer Märkte miteinander empfohlen. In der Politik fand die Bedeutung nachhaltiger Ernährungssysteme, einer ernährungssensiblen Landwirtschaft und der Anpassung an den Klimawandel immer mehr Berücksichtigung. Zuletzt wurde empfohlen, dass Konflikte und Fragilität bei der Betrachtung der Entwicklung ländlicher Gebiete berücksichtigt werden müssen. Für Gebiete, die von Unsicherheit oder Vertreibung betroffen sind, betonten die Empfehlungen die Verbesserung der Anpassungsfähigkeit lokaler Ernährungssysteme, die Stärkung der Resilienz und die Anerkennung der Rolle der Landwirtschaft bei Friedens- und Wiederaufbaubemühungen.

Sektorübergreifende Strategien und Ansätze

Die früheren Ausgaben des WHI betonten die Bedeutung sektorübergreifender Investitionen, insbesondere in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Ernährung. Der vorgeschlagene Ansatz konzentrierte sich auf die Stärkung der Grundversorgung, insbesondere für Frauen und Kinder, und deren Verknüpfung mit übergeordneten Entwicklungszielen wie dem Zugang zu Nahrungsmitteln und der Unterstützung der Landwirtschaft. Ab 2012 verlagerte sich der Fokus auf strukturelle Ursachen der Ernährungsunsicherheit wie Ressourcenknappheit, Armut, Fragilität und schwache Regierungsführung. Die Empfehlungen richteten sich zunehmend auf das Kombinieren von Initiativen in den Bereichen Ernährung, Wasser, Gesundheit, Bildung und Regierungsführung zu kohärenten Strategien und betonten gleichzeitig die Notwendigkeit, Zusammenhänge zu verstehen und auf allen Ebenen in Resilienz zu investieren.

Ausgehend von diesen Überlegungen setzte sich der WHI von 2017 bis 2020 für Strategien ein, die Ursachen der Ernährungsunsicherheit wie Konflikte, Ungleichheit und Umweltzerstörung adressieren. Die Empfehlungen betonten die Notwendigkeit, humanitäre, entwicklungspolitische und friedensbildende Rahmenwerke aufeinander abzustimmen, um den Kreislauf der Vulnerabilität zu durchbrechen. In den vergangenen vier Jahren hat der WHI sein systembasiertes, auf Gerechtigkeit ausgerichtetes Modell weiter gestärkt und Regierungen und Geldgeber aufgefordert, Investitionen sektorübergreifend unter Berücksichtigung eines gemeinsamen Ansatzes zu Ernährungssystemen abzustimmen. In diesem Zeitraum standen institutionelle Kohärenz und gemeinsame Planung im Vordergrund, insbesondere für schwache und von Krisen betroffene Bevölkerungsgruppen.

ENTWICKLUNG DER POLITISCHEN SCHWERPUNKTE DES WHI ÜBER ZWEI JAHRZEHNTE:
Die Wortgröße spiegelt die Häufigkeit der Empfehlung wider

Shifts in GHI Policy Themes Across Two Decades

Entwicklungsfinanzierung und Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit

Der Wandel der Empfehlungen verdeutlicht den globalen Trend, kurzfristige Nothilfe verstärkt mit langfristigen, integrierten Investitionen zu ergänzen, die an nationalen Prioritäten ausgerichtet sind und strukturelle Ursachen von Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung angehen. Eine nachhaltige Ernährungssicherung erfordert nicht nur mehr Entwicklungszusammenarbeit, sondern auch intelligentere, verantwortungsvollere und besser koordinierte Finanzierungsstrategien, die lokale Akteure stärken und die Resilienz verbessern.

Frühere Empfehlungen konzentrierten sich auf langfristige Entwicklungsprogramme und ermutigten Geldgeber, nationale Bemühungen zum Aufbau der landwirtschaftlichen Produktivität und zum verbesserten Zugang zu Nahrungsmitteln zu unterstützen. Ab 2012 zeigte sich ein deutlicher Wandel hin zur Förderung von Versicherungsprogrammen für ärmere Bevölkerungsgruppen und krisenfeste Soziale Sicherungssysteme. Die Koordination zwischen Gebern und nationalen Regierungen wurde als zentrale Voraussetzung für wirksame Maßnahmen identifiziert. Zudem wurde empfohlen, die Entwicklungsfinanzierung eng mit den Nachhaltigkeitszielen (SDGs) abzustimmen. Nationale Regierungen und Geber wurden aufgefordert, inklusive und auf Gerechtigkeit ausgerichtete Investitionen in ländliche Entwicklung, Bildung und Gesundheitssysteme zu tätigen – insbesondere für diejenigen, die am stärksten von Ausgrenzung bedroht sind.

In den vergangenen Jahren lag der Schwerpunkt verstärkt auf geteilter Verantwortung und engerer Koordination zwischen den Entwicklungsakteuren. Zudem wurden transparente Systeme zur Nachverfolgung von Zusagen und Ergebnissen zu einer zentralen Empfehlung.

Evidenz, Daten und Rechenschaftslegung

Die Bedeutung von Investitionen in Forschung, Monitoring und Sammlung lokaler Daten war eine Kernbotschaft des ersten WHIBerichts aus dem Jahr 2008. Daten wurden als unverzichtbar betrachtet, um Trends der Ernährungsunsicherheit zu erkennen und gezielte Maßnahmen zu ermöglichen. Dem Grundgedanken des WHI entsprechend empfahlen die Berichte die Nutzung gemeinsamer Indikatoren, eine bessere Abstimmung zwischen Institutionen sowie die Einbindung von Ernährungsdaten in umfassendere Systeme zur Entwicklungsbeobachtung. Später erweiterten sich diese Empfehlungen hin zu mehr Transparenz bei der Veröffentlichung von Daten zu Ernährungssicherheit und Ernährung – einschließlich öffentlichem Zugang zu Informationen. Von Bürger*innen initiierte Bemühungen um Rechenschaftslegung wurden zunehmend als wirksame Instrumente angesehen. Neuere Empfehlungen betonten, dass Datensysteme die Bedürfnisse der am stärksten gefährdeten Menschen widerspiegeln müssen und politische Entscheidungen beeinflussen sollten, die – insbesondere in Krisen – zu konkreten Maßnahmen führen.

Risiken und Klimaschutzmaßnahmen antizipieren sowie Resilienz aufbauen

Mit der Weiterentwicklung des WHI rückten vorausschauendes Handeln und Klimaresilienz zunehmend in den Mittelpunkt der Transformation von Ernährungssystemen. Erste Empfehlungen als Reaktion auf die Folgen extremer Wetterereignisse und die Volatilität der Lebensmittelpreise betonten die Notwendigkeit einer ausgeweiteten Notfallvorsorge und humanitären Hilfe – insbesondere angesichts dieser klimatischen Extreme und Preisschwankungen.

Ab etwa 2012 wurde die Katastrophenvorsorge als integraler Bestandteil der langfristigen Ernährungssicherung in die Empfehlungen aufgenommen. Die Empfehlungen aus dem Jahr 2017 setzten sich weiterhin für die Entwicklung klimafreundlicher Ernährungssysteme ein, die Emissionen reduzieren, biologische Vielfalt fördern und Gemeinden – insbesondere Frauen und Kleinbäuer*innen – bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützen.

In jüngerer Zeit haben WHI-Berichte dazu aufgerufen, miteinander verbundene Risiken wie Klima, Konflikte, Pandemien und wirtschaftliche Schocks mit einem ganzheitlichen Ansatz anzugehen. Die Regierungen wurden aufgefordert, lokale Resilienz zu stärken und denjenigen Vorrang einzuräumen, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Die Koordinierung zwischen den verschiedenen Sektoren und Regierungsebenen wurde zu einem zentralen Thema.

Inklusive, gerechte und lokal gesteuerte Entwicklung

Die Überwindung von Ernährungsunsicherheit bedeutet nicht nur, einen gerechten Zugang zu Ressourcen sicherzustellen, sondern auch, Gemeinschaften – insbesondere Frauen, Kleinbäuer*innen und indigene Gruppen – zu befähigen, Ernährungssysteme aktiv mitzugestalten.

Bis 2011 legten die frühen WHI-Empfehlungen den Grundstein für das Verständnis, wie systemische Hindernisse für Fortschritt überwunden werden können. Sie forderten insbesondere den Abbau von Geschlechterungleichheiten – vor allem im Bereich Bildung, Gesundheit und Zugang zu Nahrungsmitteln. In diesen frühen Jahren wurde der Zusammenhang zwischen der Stärkung von Frauen und einer besseren Ernährung der Haushalte hervorgehoben. Später wurde der Blick auf strukturelle Faktoren ausgeweitet. Die Empfehlungen forderten den Abbau diskriminierender Gesetze und Praktiken sowie eine stärkere Beteiligung von Frauen und anderen ausgegrenzten Gruppen an Entscheidungsprozessen. Außerdem betonten sie, dass starke lokale Ernährungssysteme und Resilienz entscheidend für nachhaltige Ernährung und Nahrungsmittelsicherheit sind. Lokale Regierungen wurden zunehmend als unverzichtbare Partner für wirksame und legitime Maßnahmen betrachtet. In den letzten Jahren haben die WHI-Berichte die Notwendigkeit starker lokaler Führung, inklusiver Governance und echter Teilhabe auf allen Ebenen betont. Gemeinden, Zivilgesellschaft und lokale Akteure wurden dabei als zentrale Kräfte hervorgehoben, um gerechte und nachhaltige Ernährungssysteme aufzubauen – insbesondere in fragilen oder von Konflikten betroffenen Gebieten.