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Die Nachhaltigkeitsziele Tragen zur Weltweiten Überwindung von Hunger Bei

Die Nachhaltigkeitsziele Tragen zur Weltweiten Überwindung von Hunger Bei


 
   
Von David Nabarro
Oktober 2016
Foto: Panos/Sven Torfinn, 2008; Männer sammeln Stroh auf ihrer Farm im ländlichen Sokota, äthiopien. Ausblenden

Im Rahmen eines Schulgartenprojekts in Bovaname, Mosambik, lernen die 13-jährige Elma und ihre Freundinnen, Gemüse anzupflanzen.

Foto: Bernhard Huber/Welthungerhilfe, 2013. Ausblenden

Anmerkung: Dieses Kapitel gibt Ansichten des Autors wieder, die nicht notwendigerweise den Ansichten von IFPRI, Welthungerhilfe oder Concern Worldwide entsprechen. Bei der deutschen Fassung handelt es sich um eine leicht gekürzte Version des englischen Originaltextes.

David Nabarro zu Beginn seiner Laufbahn. David Nabarro zu Beginn seiner Laufbahn.
In January 2016, David Nabarro was appointed as the UN Special Advisor on the 2030 Sustainable Development Agenda. Im Januar 2016 wurde David Nabarro zum UN-Sonderberater für die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ernannt.

Als junger Arzt sah ich in Nepal, Indien und Bangladesch mit eigenen Augen, wie verheerend sich Hunger und Fehlernährung auf das Leben der ärmsten und besonders Gefährdeten auswirkten. Hunger und Fehlernährung schwächten die Gesundheit der Menschen, und allzu oft musste der vermeidbare Tod eines Kindes oder der katastrophale Verlust einer Mutter während der Geburt betrauert werden. In den Gemeinschaften, mit denen ich zusammenarbeitete, wurde die Bürde der Unterernährung von Generation zu Generation weitergetragen, denn verzögertes Wachstum erschwert es sowohl Einzelpersonen als auch ganzen Gemeinschaften, ihr Potenzial vollständig auszuschöpfen. Warum also erhielt die Bekämpfung der Unterernährung nicht die notwendige Aufmerksamkeit?

Im Gespräch mit den Frauen und ihren Familien begannen wir allmählich zu begreifen, wie komplex die einzelnen Belastungen miteinander verknüpft waren und wie dadurch die Unterernährung noch begünstigt wurde: Säuglinge und Kleinkinder optimal zu versorgen ist zeitaufwendig und damit für die meisten armen Menschen ein Luxus. Genügend Raum und Privatsphäre zum Stillen sind oft nicht vorhanden. Außerdem erfordert gute Ernährung ausreichenden Zugang zu nährstoffreichen Lebensmitteln. Oft wird sie zusätzlich durch Krankheiten erschwert. Es wurde deutlich, dass das Leben der Menschen sich nicht in voneinander isolierbaren Schichten abspielt. Sie leben vielmehr in einem Geflecht aus Herausforderungen – Nahrung, Gesundheit, sanitäre Anlagen, Lebensunterhalt –, die sie alle gleichzeitig bewältigen müssen. Ebenso zeigte es sich, dass hier integrierte Ansätze vonnöten sind, neue Handlungsweisen, die die Einzelperson ins Zentrum der Bemühungen stellen.

Im Jahr 2015 kündigte sich eine grundlegende Veränderung in den Dimensionen internationaler Entwicklungszusammenarbeit an. In einem beispiellosen inklusiven, transparenten und offenen Prozess verabschiedeten die 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen übereinstimmend die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Sie umfasst 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) sowie 169 damit verbundene Vorgaben. Zusammen mit dem Sendai-Rahmenwerk zur Katastrophenvorsorge, dem Aktionsplan von Addis Abeba und dem Pariser Klimaabkommen stellt die Agenda 2030 einen wahrhaft umwälzenden Plan zugunsten von Menschen, Wohlstand, Partnerschaft, Frieden und unseres Planeten dar.

Die Agenda 2030 ist ein politisches Manifest für die Gestaltung der Welt in den kommenden 15 Jahren. Sie setzt klare Ziele für alle Menschen, Nationen, Institutionen, Organisationen und Unternehmen: Wir verändern unsere Welt, um sicherzustellen, dass die Menschen und der Planet gedeihen können. Armut und Hunger werden beseitigt, wobei die besonders gefährdeten Menschen zuerst erreicht werden müssen. Menschenrechte erhalten Priorität, Ungerechtigkeiten werden benannt und die Rolle der Frauen gestärkt. Außerdem werden die Widerstandsfähigkeit verbessert und die Auswirkungen extremer Wetterereignisse bekämpft. Die Agenda thematisiert die einander bedingenden Ursachen von Armut, Hunger, Pandemien, Ungleichheit, Umweltzerstörung, Klimawandel, Zwangsmigration, Gewalt und Extremismus. Die 17 SDGs sind für Industrie- und Entwicklungsländer gleichermaßen verpflichtend. Sie bilden einen echten Handlungsplan für alle drei Arbeitsbereiche der Vereinten Nationen – Frieden und Sicherheit, Entwicklung sowie Menschenrechte – und fassen die sozialen, ökonomischen und ökologischen Dimensionen nachhaltiger Entwicklung zusammen.

Zudem zeigen die Vereinbarungen, die 2015 in einer Zeit grassierender Konflikte und tiefer Spaltungen getroffen wurden, dass inklusiver Multilateralismus durchaus funktionieren kann. Die Beteiligung aller Akteure stand beim Entwicklungsprozess der Agenda 2030 im Mittelpunkt. Die SDGs wurden in Verhandlungen aller Mitgliedstaaten unter umfassender Mitwirkung von Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und anderen Interessengruppen ausgehandelt. Noch nie zuvor wurde ein multilateraler Prozess so offen und partizipativ geführt; mehr als sieben Millionen Menschen aus aller Welt waren direkt daran beteiligt und vertraten ein breites Spektrum an Perspektiven und Lösungsvorschlägen.

SDGs gelten für alle Länder weltweit

Foto: Niger, Tagaza Djibo; Frauen einer Interessengruppe für Gartenanbau, unterstützt durch das Concern FIM-Programm, im Dorf Kolkoli. Das Gemüse wird verzehrt oder verkauft, um Getreide zu kaufen. Ausblenden

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Durch die Umsetzung der prioritären Rechte der Agenda 2030 können wir Frieden und Wohlstand für die Menschen, für Gemeinschaften, Länder und die ganze Welt erreichen.

Die Agenda 2030 basiert auf einer Reihe von Prinzipien, die sie von früheren Abkommen unterscheiden. Die Agenda ist universal – sie gilt für alle Länder, ungeachtet deren Entwicklungsstandes und politischen oder sozioökonomischen Status. Dadurch setzt sie sich von den Millenniumentwicklungszielen (Millennium Development Goals, MDGs) ab, die sich hauptsächlich auf die Entwicklungsländer bezogen. Die Agenda 2030 betrachtet alle Länder als Entwicklungsländer: Jedes einzelne muss seine Handlungsweisen ändern und dabei die breiten Auswirkungen seiner Strategien und Aktivitäten über die eigenen Landesgrenzen hinaus analysieren, um zu einer nachhaltigen Zukunft für die ganze Welt beizutragen.

Die Agenda hat einen transformativen Charakter: Sie strebt an, Armut und Hunger ein für alle Mal zu beseitigen und dabei den Planeten zu schützen. In ihrem festen Vorsatz, niemanden zurückzulassen („leave no one behind“), konzentriert sie sich dezidiert auf den einzelnen Menschen und stellt Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt. Sie betont, dass insbesondere die Menschen, die oft übersehen werden – weil sie schwer zu erreichen sind, vertrieben wurden oder nicht problemlos an Entwicklungsmaßnahmen teilnehmen können –, zum Ziel der Bemühungen werden müssen. Der Welthunger-Index (WHI) 2015 verdeutlichte die Auswirkungen anhaltender bewaffneter Konflikte auf die Hungerbekämpfung und auf die Menschen, die vor diesen Konflikten fliehen müssen oder zurückgelassen werden. Er betonte, dass mehr Einsatz für die Bedürfnisse und Rechte der sichtbaren wie auch der unsichtbaren Opfer gewaltsamer Konflikte dringend nötig ist.

Zudem ist die Agenda integriert und nicht teilbar. Einzelne SDGs isoliert zu behandeln, genügt nicht. Wenn wir uns nicht in einem integrierten Prozess aller Ziele annehmen, wird die von den Mitgliedstaaten vorgesehene Transformation nicht gelingen.

Breite Beteiligung entscheidet über Erfolge

Foto: UN Photo/Jean-Marc Ferré, 2012; David Nabarro, Sonderbeauftragter des Generalsekretärs für Ernährungssicherheit und Ernährung, während eines Treffens am Welternährungstag im UN-Büro in Genf. Er zeigt eine Karte zur Zero-Hunger-Challenge der Vereinten Nationen, einer umfassenden Initiative zur Bekämpfung des weltweiten Hungers, die bei der Konferenz Rio+20 ins Leben gerufen wurde. Ausblenden

Ministerial Segment of High-level Political Forum on Sustainable Development, July 2016. Ministertreffen im Rahmen des hochrangigen politischen Forums zu nachhaltiger Entwicklung, Juli 2016. UN Photo/JC McIlwaine

Die Agenda 2030 wird nur dann für die Welt und deren Bewohner von Bedeutung sein, wenn sie von allen vollständig umgesetzt wird. Den Zielsetzungen, die die Regierungen vereinbart haben und die international reflektiert wurden, müssen nun zur Erreichung der Ziele geeignete Investitionen folgen. Dazu bedarf es einer Erhöhung der Mittel, die als Sprung von „Milliarden zu Billionen“ beschrieben wurde. Die Mitgliedstaaten werden dafür Sorge tragen, dass die Ziele der Agenda im jeweiligen nationalen Rahmen Bedeutung erhalten. Sie müssen gewährleisten, dass die Agenda tatsächlich im Zentrum aller Überlegungen steht, und mit der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen sicherstellen, dass die Entwicklungsmaßnahmen von der gesamten Gesellschaft mitgetragen werden.

Dazu werden sie ambitionierte lokal verankerte, nationale Entwicklungspläne formulieren und deren Umsetzung auf allen Ebenen unterstützen. Diese Arbeit hat bereits begonnen: 22 Länder präsentierten während des Hochrangigen Politischen Forums für nachhaltige Entwicklung (engl. HLPF) im Juli 2016 Fortschrittsberichte über den jeweiligen Umsetzungsstatus der Agenda 2030.

Die Bekämpfung des Klimawandels und die Umsetzung der Agenda 2030 sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Maßnahmen zur Reduzierung von Emissionen und zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels sind notwendig, um eine nachhaltige Grundlage für folgende Generationen zu schaffen. Diese Agenden müssen daher in nationalen Planungsprozessen miteinander verbunden werden.

Die SDGs sind miteinander verzahnt; ihre Realisierung erfordert daher ein Umdenken. Grundlage des neuen politischen Konsenses, den die Agenda 2030 abbildet, ist ein Verzicht auf kurzfristigen politischen Gewinn zugunsten der langfristigen Planung einer nachhaltigen Entwicklung. Politische Kohärenz wird zu einer Planungsvoraussetzung auf allen Ebenen und in allen Ländern. Dies wird mitunter unbequem sein, da Institutionen und Einzelpersonen gefordert sind, über ihre eingegrenzten Bereiche hinweg zu kooperieren, Informationen auszutauschen und Mittel zusammenzulegen oder gemeinsam zu nutzen.

Auch die Arbeitsweise der Vereinten Nationen wird sich im Zuge der Anpassung an die neue Agenda ändern müssen. Die Mitgliedstaaten erwarten von den UN Unterstützung bei der Erarbeitung konkreter Politikansätze zur Umsetzung der Agenda 2030 in ihrem jeweiligen nationalen Kontext. Die Vereinten Nationen müssen außerdem dafür Sorge tragen, dass ihre Arbeit in den Bereichen Frieden und Sicherheit, Menschenrechte und Entwicklung kohärent ist. Auch der humanitäre Sektor muss die Agenda anerkennen und vor allem ihren Fokus auf Menschenrechte, Widerstandsfähigkeit und die am stärksten Ausgegrenzten mittragen. Entscheidend ist dabei die Fähigkeit der UN, an den Schnittstellen zwischen den Sektoren und Arbeitsbereichen zu agieren.

Bürger und Gemeinden, lokale und nationale Regierungen, zivilgesellschaftliche Organisationen auf allen Ebenen und Privatunternehmen jeder Größe müssen die Verantwortung für die Umsetzung der Agenda 2030 übernehmen. Die Erfahrung mit den MDGs hat gezeigt, dass eine starke, initiativ handelnde Führung in allen Gesellschaftsschichten nötig ist, um sicherzustellen, dass die Ziele zum Schlüsselbestandteil nationaler Strategien und Haushalte werden. Der Welthunger-Index kann diese Anstrengungen unterstützen und dafür sorgen, dass Hunger auch weiterhin ein Thema auf der Agenda bleibt. Die WHI-Initiative fungiert als wirkungsvolle Schnittstelle zwischen Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen (non-governmental organisations, NGOs) und liefert eine evidenzbasierte Messung von Hungerniveaus zur Unterstützung fundierter Entscheidungsfindung. Die WHI-Berichte lenken die mediale Aufmerksamkeit auf die Auswirkungen von Hunger auf Individuen und Gesellschaft und treiben so die öffentliche und politische Debatte voran.

 

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Ehrgeiziges Ziel: Hunger soll besiegt werden

Alex Proimos, 2012; Mutter und Tochter mit "Plumpy Nut", Haiti. Ausblenden

SDG 2 Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zeigt Wege auf, um jene zu erreichen, die so weit zurückgelassen wurden.

SDG 2Eröffnung der Zeremonie zur Unterzeichnung des Klimaschutz-Übereinkommens von Paris, April 2016. UN Photo/Mark Garten

Mit der Agenda 2030 haben sich die Mitgliedstaaten zu einem umfassenden, integrierten und universellen Wandel verpflichtet, der Hunger und Fehlernährung beenden soll. Diese Verpflichtung wird im zweiten Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG 2) formuliert: Es thematisiert Ernährungssicherheit, bessere Ernährung und die Förderung nachhaltiger Landwirtschaft als Teil eines integrierten Maßnahmenbündels, das zu mehr sozialer Gerechtigkeit, zur Beseitigung von Armut in ländlichen Gebieten und zu einer Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen beiträgt.

73 von 129 Ländern haben die MDG-Vorgabe einer Halbierung des unter chronischem Hunger leidenden Bevölkerungsanteils erreicht. Zudem sank die Anzahl der chronisch Hungernden um 210 Millionen. Aber noch immer stehen fast 800 Millionen Menschen nicht genug Nahrungsmittel für ein gesundes und erfülltes Leben zur Verfügung. Die Agenda-2030 für nachhaltige Entwicklung zeigt Lösungswege auf, um diejenigen zu berücksichtigen, die bisher noch nicht erreicht wurden. Mit dem klaren Ziel „Zero Hunger“ verpflichtet sie sich zur Beseitigung von Hunger und Fehlernährung aller Menschen bis zum Jahr 2030.

Diese Vorgabe ist zwar ausgesprochen ehrgeizig, doch für die Umsetzung der Agenda 2030-Vision unerlässlich. Der Hunger fordert nicht nur Menschenleben, sondern führt auch dazu, dass die Betroffenen ihr Potenzial nicht vollständig entwickeln können. Hunger schränkt die Fähigkeit von Gemeinschaften, Ländern und Regionen ein, ihre gesellschaftlichen Entwicklungsziele zu erreichen, und hemmt das wirtschaftliche Wachstum. Die Art und Weise, wie wir unsere Nahrungsmittel anbauen, verarbeiten, verteilen und verbrauchen, hat tiefgehende Auswirkungen auf die Menschen, den Planeten, Wohlstand und Frieden.

Es wird also ohne schnelle Fortschritte bei der Bekämpfung von Hunger und Fehlernährung nicht gelingen, die Versprechen der Agenda 2030 einzulösen; gleichzeitig kann aber die dauerhafte Beseitigung von Hunger und Fehlernährung nicht isoliert erreicht werden. „Zero Hunger“ ist ohne das Ende der Armut in ländlichen Gebieten und die Stärkung von Frauen, ohne einen Wandel in der Landwirtschaft und bei den Ernährungssystemen, oder ohne den Schutz von ökosystemen und natürlichen Ressourcen nicht zu realisieren. Das bedeutet auch, dass die zugrunde liegenden Strukturen, die zur Fortdauer von Armut und Hunger führen, beseitigt werden müssen.

Das Pariser Klimaabkommen betont den Zusammenhang, der zwischen der Ernährungssicherung und der Beseitigung von Hunger einerseits und den Auswirkungen des Klimawandels andererseits besteht. Arme Länder und arme Menschen überall auf der Welt sind von den nachteiligen Klimaveränderungen als Erste und am stärksten betroffen. Die ländliche Bevölkerung – und dabei vor allem Frauen, Kinder, Kleinproduzenten und Landarbeiter – leidet am meisten. Bei der Umsetzung der Agenda 2030 und insbesondere für das Ziel „Zero Hunger“ müssen wir die Auswirkungen des Klimawandels zwingend in unsere Überlegungen einbeziehen. Dabei sind in Landwirtschaft und Ernährungssystemen dringend neue Ansätze notwendig, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen und sowohl wirtschaftlich tragfähig als auch nachhaltig sind. Innovative Herangehensweisen, mit denen die Landwirtschaft durch Anpassung und Schadensminderung zur Bekämpfung des Klimawandels beiträgt, können Produktivität und Einkommen der Kleinbauern steigern und gleichzeitig den Ländern dabei helfen, ihre Klimaverpflichtungen zu erfüllen.

Ein Großteil der Menschen, die unter Hunger und Fehlernährung leiden, ist in langwierigen Krisen gefangen und von wiederholten Naturkatastrophen oder Konflikten betroffen. Bei fast 130 Millionen hungernden Menschen in von anhaltenden Krisen betroffenen Ländern kann im Zusammenhang mit dem Ziel „Zero Hunger“ das Versprechen, „niemanden zurückzulassen“, nicht eingelöst werden, wenn die Bedürfnisse dieser Menschen nicht erfüllt werden. Die Agenda 2030 verpflichtet sich, sich zuerst der Bedürfnisse der am meisten gefährdeten Menschen anzunehmen. Das Sendai-Rahmenwerk zur Katastrophenvorsorge betont, dass Naturkatastrophen, die oft durch den Klimawandel noch verschärft werden und zudem häufiger und in größerer Intensität vorkommen, Fortschritte in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung maßgeblich behindern. Wenn die Widerstandsfähigkeit von Einzelpersonen (insbesondere Frauen) und Gemeinschaften gestärkt wird, versetzt sie das in die Lage, auf diese Schocks und Belastungen zu reagieren, ohne ihre längerfristige Entwicklung oder die Nachhaltigkeit ihres ökosystems zu untergraben. Solange Menschen jedoch hungrig und schlecht ernährt sind, können sie keine Widerstandskraft entwickeln.

Engagement aller Bürger ist gefragt

UN Photo, 2001; Ein Freiwilliger der Vereinten Nationen aus Indien berät einen Bauer in Bhutan. Ausblenden

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Bei der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (Rio+20) 2012 stellte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon seine Vision einer Welt ohne Hunger vor, den „Zero Hunger Challenge“.

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Compact2025 unterstreicht die Bedeutung von Forschung und Wissen für die Erreichung von Entwicklungszielen und raschere Erfolge.

Der frühere UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld hat es einmal so ausgedrückt:

Ich kann nicht alles tun – aber jeder kann etwas tun.

Die vernetzte und transformative Agenda 2030 ist ehrgeizig, aber ihre Ziele sind erreichbar; allerdings kann sie nicht in die Tat umgesetzt werden, wenn die einzelnen Akteure jeweils allein arbeiten. Die Vereinten Nationen, Regierungen, Zivilgesellschaften und der privatwirtschaftliche Sektor müssen ihre üblichen institutionellen Grenzen überschreiten, neue Partnerschaften eingehen und neuen Vorgehensweisen den Weg bahnen.

Für die neuen Denk- und Handlungsansätze, die für die Umsetzung der Agenda 2030 notwendig sind, findet man zahlreiche Beispiele in den Erfahrungen derer, die in den Bereichen Ernährungssicherung und nachhaltige Landwirtschaft arbeiten. In den letzten zehn Jahren wurden verschiedenste Plattformen, Partnerschaften und Bewegungen mit dem Ziel gegründet, Hunger und alle Arten von Fehlernährung – darunter Kaloriendefizite, Unterernährung und Fettleibigkeit – zu beseitigen und nachhaltige, widerstandsfähige und inklusive Ernährungssysteme zu entwickeln. Sie können als Lehre für die Umsetzung der Agenda 2030 dienen.

Die Herausforderung „Zero Hunger”

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon führte die „Zero Hunger Challenge“ (ZHC) im Jahr 2012 bei der UN-Konferenz für Nachhaltige Entwicklung (Rio+20) ein. Die Initiative bildete den Grundstein für eine wachsende Bewegung mit zahlreichen Akteuren, die sich dafür engagieren, die Vision der Überwindung von Hunger und Fehlernährung Wirklichkeit werden zu lassen. ZHC hat es sich zur Aufgabe gemacht,

  1. alle Interessengruppen zusammenzubringen und ihnen die Bedeutung von Ernährungssicherheit und inklusiver, nachhaltiger und widerstandsfähiger Landwirtschaft bei der Umsetzung der Agenda 2030 zu vermitteln und
  2. Kooperationen zur Entwicklung solcher Ernährungssysteme zu unterstützen, beschleunigen und verstärken, die allen Menschen zugutekommen.

ZHC hat verschiedene Aktivitäten auf Länderebene angestoßen und dafür gesorgt, dass Ernährungssicherheit und nachhaltige Landwirtschaft ein Schwerpunkt auf der globalen Entwicklungsagenda bleiben.

Strukturell der Agenda 2030 ähnlich, fördert die „Zero Hunger Challenge“ integrierte Ansätze, die auf die vielfachen Ursachen von Hunger und Fehlernährung reagieren. Die Initiative erkennt die wichtige Rolle der Ernährungssysteme beim Schutz von ökosystemen und Artenvielfalt wie auch bei der Minimierung negativer Klimaauswirkungen an. Die Vision „Zero Hunger“ basiert auf dem Recht jedes Menschen auf Zugang zu ausreichenden, sicheren und nährstoffreichen Lebensmitteln und kann einen bedeutenden Beitrag zu tiefgreifenden, aber notwendigen Veränderungen leisten.

Die „Zero Hunger Challenge“ bietet allen Akteuren eine auf gemeinsamen Prinzipien beruhende Plattform, auf der sich Städte, Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen, die Behörden, Fonds und Programme der UN, Forschungsinstitute, Glaubensgemeinschaften, Wohltätigkeitsorganisationen, Köche, Studierende und viele andere hinter der geteilten Vision der Beendigung von Hunger und Armut versammeln können. Alle, die die „Zero Hunger Challenge“ unterstützen, sollten ermutigt werden, zu aktiven Verfechtern einer Welt ohne Hunger zu werden. Als Unterstützer dieser Bemühungen sollten sie das Ziel verfolgen, innovative und weitsichtige Ansätze auf institutioneller Ebene zu übernehmen und so den anvisierten Wandel zu bewirken.

Compact2025

Auch Compact2025, eine Plattform unter Federführung des Internationalen Forschungsinstituts für Ernährungs- und Entwicklungspolitik (IFPRI), illustriert dieses Umdenken beispielhaft. Bei Compact2025 steht die Bedeutung von Forschung und Wissen für Entwicklungserfolge im Zentrum. Die Plattform bietet einen globalen Knotenpunkt für Wissen und Innovation und schafft so die Gelegenheit zum Experimentieren, Lernen und Teilen von Erkenntnissen, aus denen pragmatische, handlungsorientierte Strategien resultieren. Der Fokus liegt auf der Unterstützung von Innovationen, dem Austausch über erfolgreiche Maßnahmen, der Zusammenfassung von Erkenntnissen, der Sammlung von Daten und der Bemessung von Fortschritten.

Compact2025 kann Länder bei der Weiterentwicklung und Umsetzung wirksamer Handlungspläne unterstützen, indem ein Netzwerk aus Forschern und politischen Entscheidern Erkenntnisse und Lücken im Hinblick auf die Umsetzung auf nationaler und subnationaler Ebene identifiziert. Erfolge anderer können als Grundlage für das eigene Handeln fungieren, so zum Beispiel die signifikante Reduzierung von Armut, Hunger und Unterernährung in Brasilien durch wirksame Sozialprogramme und Ernährungsmaßnahmen. In China wurden Kleinbauern dabei unterstützt, nährstoffreiche Lebensmittel zu produzieren und zu kaufen, wodurch das Einkommen der ländlichen Bevölkerung gesteigert wurde. Diese Beispiele liefern wertvolle Erkenntnisse und brauchbare Modelle für andere Länder. Neben Compact2025 präsentieren auch weitere IFPRI-Projekte, darunter „Nourishing Millions: Stories of Change in Nutrition“ und der „Global Nutrition Report“, Erfolgsgeschichten im Bereich der Ernährung und motivieren Länder und Regionen damit, auch über ihre Grenzen hinweg voneinander zu lernen.

Diese Projekte unterstreichen das Potenzial innovativer Ansätze, die zahlreiche Akteure zur Unterstützung nationaler Aktionspläne zusammenbringen. Dies sind nur zwei Beispiele unter vielen anderen; ein weiteres ist etwa das UN-Komitee für Welternährung (Committee on World Food Security, CFS) mit seinem innovativen Ansatz, verschiedene Interessengruppen zusammenzubringen, die dann gemeinsam Politikempfehlungen und Leitfäden zu einem breiten Themenspektrum im Bereich der Ernährungssicherheit entwickeln und verabschieden. Die Initiative „Scaling Up Nutrition“ (SUN) hat 57 Länder versammelt, deren Regierungen der Bekämpfung von Fehlernährung Priorität einräumen. Seit der Gründung im Jahr 2010 hat SUN das Zusammenwirken der Mitgliedsländer mit einem immer weiteren Kreis von Interessenvertretern gefördert, die die Vielfalt der Strategien widerspiegeln, die zur Bekämpfung von Fehlernährung nötig sind. Starke nationale Bewegungen sind entstanden, die eigene, auf Länderebene entwickelte Ansätze verfolgen und dazu die für ihren Kontext notwendigen Systeme schaffen.

Digitale und offene Daten unterstützen die Umsetzung

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Das UN-Projekt Global Pulse hat gezeigt, wie Mobilfunkdaten genutzt werden können, um Hunger und Krankheiten zu erfassen und einzudämmen, die Krisenreaktion zu unterstützen und die Auswirkungen des Klimawandels besser zu verstehen.

Zugängliche, verlässliche Daten und Informationen sind für die Entscheidungsfindung und Rechenschaftslegung unerlässlich. Die SDGs fordern eine Revolution des Datenwesens, in deren Zuge neue Technologien und Innovationen bei Daten und deren Erhebung traditionelle Statistiken ergänzen. Um wirklich jeden Einzelnen zu erreichen, müssen Daten unter anderem nach Alter, Geschlecht und Einkommen disaggregiert werden. Das Netzwerk Global Partnership for Sustainable Development Data fördert datengestützte Entscheidungsprozesse, indem es offenere, aktuellere und besser verwertbare Daten einführt, mit deren Hilfe extreme Armut beendet, der Klimawandel bekämpft und eine gesunde Lebensweise für alle ermöglicht werden sollen.

Die mobile Technologie hat schon jetzt Gesellschaften in allen Teilen der Welt grundlegend verändert, darunter auch die ärmsten Gemeinschaften und Länder. In zahlreichen Fällen hat sie Frauen gestärkt, Arbeitsplätze geschaffen, finanzielle Unabhängigkeit vorangetrieben, Bildungsmöglichkeiten verbessert, landwirtschaftliche Erträge gesteigert und für mehr Gesundheit gesorgt. Mobiltelefone haben es ermöglicht, dass Menschen Wahlen beobachten und ihre Regierungen kontrollieren und zur Rechenschaft ziehen konnten; bei Naturkatastrophen haben sie sogar Menschenleben gerettet. Inzwischen kann die Mobilfunkbranche nationale Regierungen durch groß angelegte Datenerhebungen bei ihren Anstrengungen zur Erfüllung der SDGs unterstützen. Die Global-Pulse-Initiative der UN hat gezeigt, wie durch Mobiltelefone produzierte Daten dabei helfen können, die Verbreitung von Hunger und Krankheiten zu verfolgen und einzudämmen, in Krisenfällen wertvolle Informationen zu liefern und die Auswirkungen des Klimawandels zu verstehen. Der Technologiesektor sollte gemeinsam mit den Regierungen und der internationalen Gemeinschaft daran arbeiten, Empfangsmöglichkeiten auszubauen und Zugänge zu erleichtern. Wenn dann auch Instrumente und Anwendungen im Hinblick auf gefährdete Gemeinschaften entwickelt werden, kann die Branche die Umsetzung der Agenda 2030 maßgeblich unterstützen. Dabei können die Daten verantwortungsvoll für humanitäre und entwicklungsrelevante Ziele genutzt werden, ohne die Privatsphäre des Einzelnen zu verletzen.

Regierungen sind rechenschaftspflichtig

Foto: David Mutua, 2014; Deeq Ahmed Shire schaut während seiner Teepause in einem Straßenladen am Jardiinka Bar Quatro Platz in der Innenstadt von Mogadischu auf sein Handy. Ausblenden

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Daten und Informationen sind nicht nur für die Umsetzung der SDGs wichtig, sie unterstützen auch bei der Erfüllung der Rechenschaftspflicht. Die Sammlung hochwertiger, aktueller und verlässlicher Daten auf allen Ebenen wird bei der Fortschrittskontrolle über die kommenden 30 Jahre hinweg eine große Rolle spielen. Die Inter-Agency and Expert Group on Sustainable Development Goal Indicators hat eine Reihe von Indikatoren formuliert, um Fortschritte bei allen SDGs inklusive „Zero Hunger“ messen zu können. Aktionspläne zur Umsetzung auf Länderebene müssen nationale Indikatoren beinhalten, die auf die jeweiligen Rahmenbedingungen zugeschnitten sind.

Die Beziehung zwischen Bürgern und ihren Regierungen ist für die SDG-Rechenschaftsplicht von zentraler Bedeutung. Alle Menschen müssen verstehen, wozu sich ihre Regierungen verpflichtet haben, damit sie von diesen Rechenschaft verlangen können. Nationale Prozesse der Verlaufskontrolle und Überprüfung sollten partizipativ, offen und transparent gestaltet werden. Die Zivilgesellschaft wird die Bürger maßgeblich dabei unterstützen, ihre Regierung zur Rechenschaft zu ziehen.

Hinsichtlich des zweiten Ziels für nachhaltige Entwicklung und aller weiteren Zielsetzungen, die in sein Auftragsgebiet fallen, kann das Komitee für Welternährung (CFS), dessen Strukturen einen inklusiven Dialog zwischen vielfältigen Interessengruppen ermöglichen, eine wichtige Rolle bei der weltweiten Verlaufskontrolle und Überprüfung der Agenda 2030 spielen. Das CFS ist hervorragend geeignet, das Hochrangige Politische Forum für nachhaltige Entwicklung (HLPF) dabei zu unterstützen, globale Fortschritte zu überprüfen, gewonnene Erkenntnisse festzuhalten, Handlungsempfehlungen zu geben, zu beraten sowie neue Themen und Trends zu identifizieren.

Eine menschenwürdige Welt ist möglich

Foto: UN Photo/Gill Fickling, 2009; Bauern dreschen ihre Reisernte auf einem Feld in der Nähe von Punakha, Bhutan. Ausblenden

Es ist an der Zeit, die Zusammenarbeit für Entwicklung neu zu erfinden. Die Gesellschaft insgesamt muss mobilisiert werden, damit die Agenda für nachhaltige Entwicklung tatsächlich im Mittelpunkt allen Denkens und Handelns steht. Um das Ziel „Zero Hunger“ zu erreichen, muss die Menschenwürde ins Zentrum der Agenda 2030 gerückt werden. Die umfassende, universelle Vision von „Zero Hunger“ beruht auf dem Recht jedes Menschen auf einen Zugang zu sicheren und nährstoffreichen Lebensmitteln. Landwirtschafts- und Ernährungssysteme müssen nachhaltig, widerstandsfähig und klimakompatibel gestaltet werden, um die Menschheit und den Planeten zu erhalten. Neue Wege der Krisenbewältigung müssen beschritten werden, wobei gleichzeitig die Fähigkeiten und Widerstandskräfte von Gruppen und Individuen ausgebaut werden sollten.

Angesichts der komplexen Ursachen von Armut und Hunger ist die Umsetzung der Agenda 2030 der beste und sicherste Weg, so schnell wie möglich das Ziel „Zero Hunger“ zu erreichen. Wenn wir auf allen Ebenen kooperieren, technologische Neuerungen nutzen, innovative Ansätze anwenden und darauf achten, dass all unsere Handlungen von Ehrlichkeit, Fairness und Gerechtigkeit getragen sind, können wir unsere Welt grundlegend verändern und Armut und Hunger ein für alle Mal beseitigen. Die Ziele sind ehrgeizig, aber keineswegs unerreichbar. Gemeinsam können wir diese Vision Wirklichkeit werden lassen.