Bewaffnete Konflikte und Hunger stehen in engem Zusammenhang. In den Ländern, die laut Welthunger-Index 2014 die geringste Ernährungssicherheit aufweisen, herrscht entweder derzeit Krieg oder ist erst vor Kurzem ein Krieg beendet worden, darunter Burundi, Eritrea, die Komoren, Sudan, Südsudan und Timor-Leste (von Grebmer et al. 2014). Noch frappierender ist, dass in einer Reihe von Ländern – insbesondere in Burundi, dem Irak, den Komoren und dem Sudan (die alle von bewaffneten Konflikten betroffen sind) sowie in Swasiland, das von der weltweit schlimmsten HIV/AIDS-Epidemie gezeichnet ist – die objektiven Hungerindikatoren stagnieren, oder sich sogar verschlechterten, während die meisten anderen Länder über die letzten 25 Jahre bedeutsame Fortschritte erzielen konnten. In Ghana und Ruanda dagegen, wo relativ friedliche Verhältnisse herrschen, geht der Hunger zurück.
Es wird deutlich, dass bewaffnete Konflikte der Hauptgrund für anhaltenden schweren Hunger sind. Könnte es sein, dass Hunger – ob in Gestalt von Hungersnöten, chronischer Unterernährung oder allgemeiner Entbehrung – seinerseits ein Faktor ist, der Konflikte schürt? Das ist möglich, aber weniger wahrscheinlich.
Als Zusammenfassung einer kontroversen Debatte über die Ursachen bewaffneter Konflikte – die mehr als ein Jahrzehnt weithin als die „greed or grievance“-Diskussion (Collier und Hoeffler 2004) geführt wurde – schloss der Weltentwicklungsbericht der Weltbank im Jahr 2011, dass es keine einfache kausale Erklärung für Konflikte gebe (World Bank 2011), sondern diese vielmehr aus einer Vielzahl verschiedener Einflussgrößen resultierten (Box 3.1). Die wirtschaftlichen Faktoren, die ein Land in einen Bürgerkrieg treiben können, sind zahlreich. Die gute Nachricht ist, dass durch die in den vergangenen Jahrzehnten allgemein verbesserte Regierungsführung Konflikte, Armut und Hunger beständig abnahmen. Leider verliefen diese Entwicklungen nicht einheitlich, und was noch schlimmer ist: Es gibt Anzeichen dafür, dass diese Fortschritte zum Stillstand kommen.
Während es in Ostasien und Südostasien nahezu keine großen Hungersnöte mehr gibt, haben bewaffnete Gewalt und Hunger im Nahen Osten über die letzten fünf Jahre zugenommen. In Afrika – dem ärmsten und konfliktbeladensten Kontinent – ist das Risiko am größten. Viele betroffene Länder sind anfällig für Autoritarismus und einen brutalen Wettbewerb, der durch die sogenannte Ressourcenfalle angeheizt wird. Darunter versteht man Wirtschaftssysteme, die zur Beschleunigung ihres Wachstums stark auf die Verwertung natürlicher Ressourcen, vor allem Mineralien, angewiesen sind (Kaldor, Karl und Said 2007). Der „große afrikanische Landraub“ (Cotula 2013), bei dem lokale Oberschichten und ausländische Konzerne Millionen Kleinbauern das Land wegnehmen, trägt zu Missständen und menschlicher Unsicherheit bei, die in so unterschiedlichen Ländern wie äthiopien und Sierra Leone bereits zu gewaltlosem wie auch gewaltsamem Widerstand geführt hat.
Hunger hat destabilisierende Auswirkungen
Hunger unterscheidet sich von anderen menschlichen Belastungen. Nahrung und Hungersnot treffen einen tiefen emotionalen Nerv, sogar bei Menschen, die nie persönlich vom Verhungern bedroht waren. Weltweit ist die Überzeugung verbreitet, dass eine Regierung, die ihre Bevölkerung nicht ernähren kann, ihre Legitimität verspielt habe.
Bekanntermaßen gingen 1789 in Paris die revolutionären Volksmengen wegen hoher Brotpreise auf die Straßen (Grove 1998; Neely 2007). Die Hungersnot in Bengalen brachte 1947 die britische Herrschaft in Indien in Verruf und untergrub das Vertrauen in ihr Versprechen, Hunger zu verhindern (Drèze 1991). Die Herrschaft des äthiopischen Kaisers Haile Selassie wurde 1973/1974 durch die Hungersnot von Wollo geschwächt, und die Regierung des sudanesischen Präsidenten Jaafar Nimeiri wurde unter anderem durch ihr Unvermögen zu Fall gebracht, der Bevölkerung während der Dürre von 1985 Hilfsgüter zu liefern (Article 19 1990; de Waal 1997). Die schleppende und unzureichende Reaktion der pakistanischen Regierung von Ayub Khan auf Hunger und Entbehrungen in Ostbengalen, die durch den Wirbelsturm Bola, den tödlichsten Sturm der letzten 100 Jahre, verursacht wurden, trug zur Mobilisierung der bangladeschischen Unabhängigkeitsbewegung bei (Sommer und Mosley 1972; Hossain 2010).
In jüngerer Zeit haben unter anderem Hungeraufstände im Jahr 2008 zum Sturz der haitianischen Regierung geführt, und die Aufstände des Arabischen Frühlings 2011 fielen zeitlich mit Nahrungsmittelpreiserhöhungen zusammen (Brinkman und Hendrix 2011). In Ländern mit schwacher Staatlichkeit ist es wahrscheinlicher, dass Proteste in politischer Gewalt resultieren (World Bank 2011). Die Kausalkette von einer Lebensmittelknappheit zu Protesten ist komplex und in jedem Fall anders geartet, aber bei diesen Beispielen ist sehr wohl ein roter Faden zu erkennen. Ernährungssicherheit ist nicht nur ein wesentlicher Faktor für menschliches Wohlergehen, sondern auch eine tragende Säule politischer Stabilität. Wenn Regierungen die Ernährungssicherheit aufs Spiel setzen, gefährden sie ihren eigenen Fortbestand.
Beispiele der Unnachgiebigkeit
Es gibt Regierungen, die trotz ihrer Unfähigkeit, den Hunger einzudämmen, ihre Politik unverändert fortsetzen. Die Regierung Myanmars stand nach der Verwüstung durch den Wirbelsturm Nargis im Jahr 2008, bei dem Schätzungen zufolge 138.000 Menschen ertranken und weitere zwei Millionen ohne Obdach, Trinkwasser und Grundnahrungsmittel überleben mussten (Guha-Sapir und Vogt 2009), in der Verantwortung. Weil die Regierenden eine erhöhte internationale Präsenz während des Referendums über die neue Verfassung fürchteten, erlaubten sie zwei Wochen lang keine nennenswerten Hilfslieferungen und ergriffen auch selbst keine Maßnahmen (Zarni 2015). Herrscher wie der chinesische Mao Tse-Tung, Nordkoreas Kim Jong-il und äthiopiens Mengistu Haile Mariam blieben ohne Rücksicht auf das Leiden der Menschen an der Macht. Sie nutzten sogar die Entbehrungen und kontrollierten die Nahrungsmittelversorgung, um ihre Macht zu festigen (Becker 1996; Natsios 2001; de Waal 1997). Während das Unvermögen, gravierenden Hunger und Notlagen zu bekämpfen, also nicht unbedingt zum Sturz einer Regierung führt, so bildet eine tragfähige Strategie zur Ernährungssicherung doch ein gutes Instrument der politischen Absicherung.
Diese Tendenzen unterstreichen die weitgehend positive Schlussfolgerung, dass Hunger heute möglicherweise eine weniger große Bedrohung für den Frieden darstellt als in der Vergangenheit. Und es gibt keinen Grund, warum Naturkatastrophen zwingend Hungersnöte oder politische Krisen verursachen müssen (Box 3.2).