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Blickpunkt: Welthungerhilfe im Sudan

Box 2.1

BLICKPUNKT: WELTHUNGERHILFE IM SUDAN

Als doppelt mandatierte Organisation für Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit ist die Welthungerhilfe in vielen Ländern aktiv, die von gewaltsamen Konflikten betroffen sind. Eines dieser Länder ist Sudan, wo jahrzehntelange Konflikte in Verbindung mit Wirtschaftseinbrüchen zu weitverbreitetem Hunger geführt haben. Mit einem WHI-Wert 2021 von 25,1 leidet Sudan unter einem ernsten Hungerniveau und belegt Platz 95 von 116 Ländern. Für den Zeitraum Juni bis September 2021 bestand für schätzungsweise 9,8 Millionen Menschen in Sudan – ein Fünftel der analysierten Bevölkerung – akute Ernährungsunsicherheit, die dringende Hilfe erforderlich machte. Nord-Darfur ist dabei vermutlich der am stärksten betroffene Bundesstaat (IPC 2021b).

Die Arbeit in Sudan erfordert ein tiefgreifendes Verständnis der historischen Ursachen der Konflikte und ihrer Triebkräfte. Diese sind komplex, politisiert und vielschichtig und umfassen gleichzeitig lokale, nationale, regionale wie internationale Dimensionen. In dem nordafrikanischen Land gibt es eine große Anzahl Binnenvertriebener und Geflüchteter aus den Nachbarländern (IOM and WFP 2021; UNHCR 2021). Zwischen den Aufnahmegemeinden und Vertriebenen sowie zwischen Pastoralist*innen und sesshaften Landwirt*innen sind infolgedessen, insbesondere entlang der Wanderrouten der Pastoralist*innen, Spannungen über die knappen existenziellen Ressourcen wie Land entstanden. Dürren, Desertifikation und Überschwemmungen tragen zu neuen Konflikten in einem ohnehin durch begrenzte Ressourcen und Perspektiven charakterisierten Kontext bei (OCHA 2020).

Es ist inzwischen allgemein anerkannt, dass es ohne Frieden keine Ernährungssicherheit geben kann. Um die Resilienz zu stärken und Ernährungssicherheit zu erreichen, verfolgt die Welthungerhilfe einen Ansatz, der Ernährungssysteme ganzheitlich betrachtet, auch in Konfliktgebieten wie Sudan. Die Organisation vereint Humanitäre Hilfe, Entwicklung und Friedensförderung, um im Falle akuter Schocks und Krisen schnelle Katastrophenhilfe zu leisten und Wiederaufbau zu unterstützen sowie gleichzeitig die Resilienz und die Existenzgrundlagen der Aufnahmegemeinden, Binnenvertriebenen und Geflüchteten zu stärken. Die Welthungerhilfe stellt die Gemeinden in den Mittelpunkt ihrer Arbeit und unterstützt zudem friedensfördernde Initiativen auf kommunaler Ebene.

Die Welthungerhilfe arbeitet schwerpunktmäßig in Nord- Darfur sowie den Bundesstaaten Gedaref, Kassala und Red Sea. Die Organisation deckt die wichtigsten humanitären Bedarfe der Aufnahmegemeinden, Binnenvertriebenen und Geflüchteten mittels Hilfe durch Geldtransfers und Gutscheine, Schutz, Unterkünfte, Artikel des täglichen Bedarfs sowie durch Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene. Diese Interventionen verknüpft sie mit solchen, die auf die Verbesserung der menschlichen Sicherheit, Resilienz, Ernährungssicherheit und der Existenzgrundlagen abzielen und einen Beitrag zur Friedensförderung und zum sozialen Zusammenhalt leisten. Zu den Aktivitäten gehören Landwirtschafts- und Viehzuchtschulen ebenso wie Schulungen für Frauengruppen in den Bereichen Nahrungsmittelverarbeitung, Gartenbau, gesunde Ernährung und Einkommensgenerierung. Eine Intervention zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und zur Verringerung des Wettbewerbs um die natürlichen Ressourcen pilotierte flächeneffizienten vertikalen Gartenbau von Futtermitteln und Gemüse in Lagern für Binnenvertriebene in Nord-Darfur. Dieses Programm ist eine an den Kontext angepasste Lösung, durch die trotz Flächen- und Wasserknappheit der Zugang zu nährstoffreicher Ernährung verbessert und neue Einkommensmöglichkeiten geschaffen wurden.

Die Welthungerhilfe trägt außerdem dazu bei, den friedlichen Dialog, die Koexistenz und die Versöhnung in Nord-Darfur durch gemeindebasierte Konfliktlösungsmechanismen (CBRMs) zu fördern, mit deren Hilfe pastorale und bäuerliche Gemeinden unterschiedlicher Ethnien entlang der Wanderrouten in den Dialog kommen. Diese Konfliktlösungsmechanismen richten sich besonders an Jugendliche, die Gefahr laufen, in Gewalt verwickelt zu werden, sowie an Frauen, deren Beteiligung an Streitschlichtung und -lösung innerhalb von und zwischen Gemeinden von entscheidender Bedeutung ist. Die CBRMs bieten Workshops zur Aufklärung über die Wanderrouten der Pastoralist*innen, die Wiederherstellung dieser Routen und die Sensibilisierung von Gemeinden an. Das Projekt der Welthungerhilfe hat gemeindebasierte Lösungsmechanismen mit den zuständigen Ministerien, juristischen Instanzen, der Sudanesischen Kommission für Humanitäre Hilfe und Sicherheitsdiensten verknüpft, um den ländlichen Gemeinden besseren Zugang zu rechtlichen Wegen bei der Konfliktlösung und Ressourcen zu ermöglichen. Dennoch bleibt die Situation unbeständig, da es neben Naturkatastrophen und der Pandemie auch zu Ausbrüchen von Gewalt und politischer Instabilität kommt. Da die jüngsten politischen Entwicklungen das offizielle Rechtssystem destabilisiert haben, sind gemeindebasierte Lösungsmechanismen wichtiger denn je. Die Welthungerhilfe hat sich zum Ziel gesetzt, die Partizipation von Jugendlichen, Frauen und marginalisierten Gemeinden an CBRMMechanismen zu erhöhen.