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Burundi: Eine Zukunft ohne Hunger schaffen

Burundi:

 

Eine Zukunft ohne Hunger schaffen


 
   
Länder-Fallstudie
Oktober 2016
Foto: Darren Vaughan/Concern Worldwide; Die Witwe Isabelle Mundana (66) hat im Rahmen von Concerns Resilienz-Programm für Gemeinden und Haushalte fünf Ziegen erhalten. “Dank dieses Programms hat sich vieles geändert. Vor der Unterstützung durch Concern könnte ich mir keine Ziege leisten. Jetzt kann ich mir meinen Wunsch erfüllen, eigene Tiere zu besitzen.” Ausblenden

Der zentralafrikanische Binnenstaat Burundi ist eines der bevölkerungsreichsten Länder in Afrika südlich der Sahara, mit einer wachsenden jungen Bevölkerung. Zugleich ist Burundi eines der ärmsten Länder der Welt. Die Wirtschaft des Landes ist in den letzten Jahren geschrumpft und die Ernährungssituation zeigt sich prekär.

Foto: Irénée Nduwayezu; Béatrice Kankera und ihre beiden Töchter Aline and Nabelle vor ihrem Haus in Kagege, Busoni, Kirundo, Burundi. Ausblenden

Concern’s programme areas in Burundi

Die elf millionen einwohner Burundis waren in den letzten Jahren durch extreme Wetterereignisse und ständig wechselnde sozioökonomische und politische Umstände noch größerer Unbeständigkeit ausgesetzt als schon zuvor. Die Burundier sind mit einer Unzahl an Herausforderungen konfrontiert, von Landknappheit und rapidem Bevölkerungswachstum bis hin zu unzulänglichen landwirtschaftlichen Methoden und zunehmender Ernährungsunsicherheit.

Trotz der relativen Stabilität und der Fortschritte seit dem Ende des 15 Jahre dauernden Bürgerkriegs im Jahr 2005 sind Armut und Unterernährung in Burundi noch immer weitverbreitet. 57,5 Prozent der Kinder unter fünf Jahren leiden an Wachstumsverzögerung, 6,1 Prozent der Kinder sind ausgezehrt und 29,1 Prozent untergewichtig. Im Welthunger- Index von 2014, der die letzten verfügbaren Daten enthält, war der Wert Burundis der schlechteste aller im Bericht aufgeführten Länder und wurde in die Kategorie „gravierend“ eingestuft. Ein niederschmetternder Anteil der Burundier, nämlich 81 Prozent, wird als arm klassifiziert, 50 Prozent leben sogar in schwerer Armut. Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren liegt bei 82 pro 1.000 Lebendgeburten. Das Gesundheitssystem steht unter enormem Druck; die Ausgaben für den Gesundheitssektor betrugen 2011 nur 2,89 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im Jahr 2010 hatten nur 44 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Gesundheitsversorgung.

Seit April 2015 befindet sich Burundi in einer Phase soziopolitischer Instabilität und Unsicherheit. Als Resultat stieg der humanitäre Bedarf stetig an und die bilateralen Hilfeleistungen aus dem Ausland wurden drastisch reduziert. Vor diesem Hintergrund erleidet die ohnehin geschwächte Wirtschaft des Landes einen erheblichen Abschwung. Zwischen April 2015 und Juli 2016 flohen mehr als 274.000 Burundier aus dem Land, hauptsächlich in Nachbarländer wie Tansania, Ruanda, Uganda und die Demokratische Republik Kongo, und eine zunehmende Anzahl von Menschen wurde zu Binnen-flüchtlingen. Bei all diesen Herausforderungen hat Burundi jedoch auch enormes Potenzial: fruchtbares Land, ein mildes Klima und die Möglichkeit zum Ausbau des Handels mit seinen zahlreichen Nachbarländern (begünstigt durch seinen Reichtum an Bodenschätzen, vergleichsweise gute Bedingungen im Landwirtschaftssektor und die geografische Lage).

Was ist das Graduation-Modell?

Foto: Chris de Bode/Concern Worldwide; Victoria Macumi (36) weiß, was der Schlüssel zu guter Ernährung ist: ausreichend frisches Gemüse aus ihrem Gemüsegarten. Zu Hause angebautes oder auf dem Markt gekauftes Obst ergänzt die Ernährung ihrer Familie. Ausblenden

Graduation Pathway from Extreme Poverty Der Name des Programms von Concern lautet Terintambwe – Kirundi für „Mach einen Schritt nach vorne“.

Das Programm Terintambwe – „Mach einen Schritt nach vorne“ –, das auf dem Graduation-Modell von Concern Worldwide basiert, ist ein integriertes Unterstützungspaket aus aufeinander aufbauenden Elementen. Es soll erstens höhere Erträge aus neuen und bereits vorhandenen Produktionsmitteln ermöglichen, zweitens Ungleichbehandlung bekämpfen und drittens Risiken von und die Anfälligkeit gegenüber Schocks reduzieren (dies sind die drei für Concern Worldwide wesentlichen Dimensionen extremer Armut). Das Graduation-Modell ist die Adaption eines Ansatzes, der ursprünglich von der Organisation BRAC in Bangladesch entwickelt und gefördert und in der Folge durch die Consultative Group to Assist the Poor (CGAP) und die Ford Foundation in acht weiteren Ländern eingeführt wurde. Das Programm läuft üblicherweise über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren und besteht aus fünf Schlüsselkomponenten:

  1. Gezielte Auswahl stellt sicher, dass extrem arme Haushalte von den Programmen erreicht werden.
  2. Transferleistungen in Form regelmäßiger Barüberweisungen decken die Grundbedürfnisse der Teilnehmer, während diese daran arbeiten, ihre Lebensgrundlagen auszubauen.
  3. Qualifizierungsmaßnahmen und regelmäßige Beratung, beinhalten praktische Trainings sowie regelmäßige Besuche von Beratern und Mentoren.
  4. Zugang zu Spar- und Finanzdienstleistungen erhalten die Teilnehmer mit Unterstützung des Programms.
  5. Eine übertragung von Produktionsmitteln ermöglicht es den Teilnehmern, neue wirtschaftliche Aktivitäten aufzunehmen oder bestehende auszubauen, durch die sie sich als Kleinunternehmer etablieren oder formellere Arbeitsverhältnisse eingehen können.

Bei Terintambwe wird eine Version des Graduation-Modells angewendet, die an die Umstände und Bedürfnisse der Bevölkerung in Burundi angepasst wurde. Sie bietet den extrem armen Menschen bezahlte Arbeit und zielt darauf ab, ihnen neue Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen und vorhandene zu nutzen. So sollen nachhaltige Wege aus der Armut aufgezeigt und die Fähigkeit der Menschen gesteigert werden, unvorhersehbare Situationen und Unbeständigkeit langfristig zu bewältigen.

Niemanden zurücklassen

Foto: Chris de Bode/Concern Worldwide; Victoria Macumi (36) weiß, was der Schlüssel zu guter Ernährung ist: ausreichend frisches Gemüse aus ihrem Gemüsegarten. Zu Hause angebautes oder auf dem Markt gekauftes Obst ergänzt die Ernährung ihrer Familie. Ausblenden

Global Hunger Index Trends for Burundi

Concern Worldwide hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen in extremer Armut dabei zu helfen, ihre Lebensumstände erheblich zu verbessern. Die Einsatzorte und -methoden der Organisation ergeben sich aus ihrem Verständnis von extremer Armut. Dieses Konzept findet eine Entsprechung in der Verpflichtung der Agenda 2030, „niemanden zurückzulassen“ („leave no one behind“). Concern Worldwide arbeitet seit 1997 in Burundi. Seitdem engagiert sich die Organisation für eine gemeindebasierte Gesundheitsversorgung, unter anderem in den Bereichen kindliche überlebenschancen, Landwirtschaft, Ernährung, Bildung und Lebensgrundlagen. Seit Neuestem arbeitet Concern Worldwide – mit Unterstützung der irischen Regierung – mit Gemeinden in den Provinzen Cibitoke und Kirundo im Rahmen des Terintambwe-Programms („Mach einen Schritt nach vorne“) zusammen, das auf dem Graduation- Modell von Concern Worldwide beruht. Im Jahr 2015 erreichte Concern Burundi 91.000 Menschen direkt.

Ein relativ kleines Netzwerk internationaler Nichtregierungsorganisationen ist in Burundi vertreten und unterstützt die Regierung und die lokalen Gemeinschaften bei der sozioökonomischen Entwicklung des Landes. Die Welthungerhilfe (WHH), Alliance2015-Partner von Concern Worldwide und Co-Autorin des WHI, ist seit 2001 in Burundi aktiv. Nach einer Reihe von Nothilfeeinsätzen verlegte sie ihren Schwerpunkt allmählich auf die Entwicklungszusammenarbeit mit nationalen Nichtregierungsorganisationen (NROs). Zu den Arbeitsbereichen der WHH zählen unter anderem die nachhaltige Landwirtschaft, der Schutz natürlicher Ressourcen, Frieden und Versöhnung, Trinkwasser- und Sanitärversorgung, Hygiene sowie die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels.

Die Teilnehmer von Terintambwe durchlaufen die fünf Schritte des Graduation-Modells. Sie erhalten 14 Monate lang den Gegenwert von ungefähr 13 Euro pro Monat als Barüberweisung auf ihre Mobiltelefone. Diese Zahlungen sollen sicherstellen, dass die Menschen jederzeit genug zu essen haben. Im selben Zeitraum werden den Teilnehmern bei Hausbesuchen Kenntnisse zu Hygiene, familiären Beziehungen, Familienplanung, HIV und AIDS sowie Lese- und Schreibfähigkeiten und kaufmännisches Grundwissen vermittelt. Sie werden angeregt, sich einer Spar- und Kreditgruppe (Savings and Internal Lending Community, SILC) anzuschließen und regelmäßig einen Teil ihres Einkommens zu sparen, um Krisen besser bewältigen und für zukünftige Ereignisse vorsorgen zu können. Eine Summe von etwa 82 Euro wird als Kapitalzuschuss für einkommensschaffende Aktivitäten zur Verfügung gestellt. Die Teilnehmer wählen diese Aktivitäten auf Grundlage einer für jede Programmregion durchgeführten Marktstudie aus. Die geläufigsten Aktivitäten umfassen Gemüsehandel, Herstellung von Bananensaft, Nutztierzucht und Landwirtschaft.

Terintambwe-Programm erzielt positive Wirkungen

Foto: Chris de Bode/Concern Worldwide; Die von Concern unterstützte Light Mother Vénéranda Nahimana (39) gibt Clotilde Nibigira (44), Mutter von fünf Kindern, Schritt-für-Schritt-Anweisungen zu Zubereitung und hygienischem Umgang mit Lebensmitteln. Es ist ein praktischer Ansatz, bei dem Mütter zusammen kochen und an praktischen Beispielen lernen. Ausblenden

Elie, programme participant

Ich habe jetzt gute Hosen und schöne Hemden und bin gut gekleidet. Ich genieße nun ein hohes Ansehen in der Gemeinde.Elie Ntiganirwa, Programmteilnehmer aus Bukinanyana, Provinz Cibitoke

57.5%

der Kinder unter 5 Jahren sind in ihrer Entwicklung zurückgeblieben (engl. „stunted“; zu geringe Körpergröße für ihr Alter), ein Beleg für chronische Unterernährung.

6.1%

der Kinder unter 5 Jahren sind ausgezehrt (engl. „wasted“; zu geringes Gewicht für ihre Körpergröße), ein Beleg für akute Unterernährung.

8.2%

der Kinder sterben, bevor sie 5 Jahre alt werden.

Concern Worldwide sammelte gemeinsam mit dem in Großbritannien ansässigen Institut für Entwicklungsstudien (Institute of Development Studies, IDS) Belege für die Wirksamkeit des Programms. Beim Vergleich von Teilnehmerdaten mit denen von Nicht-Teilnehmern, erhoben zu Beginn im Jahr 2012 und am Ende des Programms im Jahr 2015, konnten drei Arten komplementärer Wirkungen identifiziert werden: materielle, verhaltensbezogene und soziale. Zudem verdeutlichte die Auswertung, dass das Programm durch Verhaltensänderungen bei Teilnehmern auch Anstöße für Veränderungen in der gesamten Dorfgemeinschaft erzielt hat. Die Abschlusswerte wurden zwei Jahre nach Beendigung der monatlichen Barüberweisungen an die Teilnehmer erhoben und zeigen, dass viele positive Resultate des Programms über einen längeren Zeitraum nachwirkten.

1. Materielle Wirkungen

Zu den materiellen Wirkungen gehören unter anderem verbesserte Lebensbedingungen, zweckmäßigere sanitäre Anlagen in den Haushalten, eine größere Vielfalt der Einkommensquellen sowie der Zugang zu einer größeren Bandbreite an kleinen und großen Haushaltsgütern. Mehr als 50 Prozent der Teilnehmer hatten bis zum Ende des Programms die Dächer ihrer Häuser ausgebessert, im Vergleich zu nur 10 Prozent der befragten Nicht-Teilnehmer. Der Wert der Haushaltsgüter (zum Beispiel Küchenutensilien, Möbel, Bettzeug, Fahrräder, Mobiltelefone, Radios) hatte sich zwischen den beiden Erhebungen bei den Teilnehmern versiebenfacht, bei den Nicht-Teilnehmern dagegen lediglich verdreifacht. Anhand eines Index zur Berechnung des Gesamtwertes der Besitztümer (inklusive Haushalts- und landwirtschaftlicher Güter sowie Nutztieren) konnte eine beträchtliche Verbesserung festgestellt werden, wobei die Teilnehmer ihre Habe im Vergleich zu den Nicht-Teilnehmern verdoppeln konnten.

Eine weitere Auswirkung des Terintambwe-Programms war, dass die meisten Teilnehmer ihre Haupterwerbstätigkeit verlagern konnten. Waren vor Beginn noch 68 Prozent der Teilnehmer auf Gelegenheitsarbeit angewiesen, betrug dieser Anteil bei Beendigung nur noch 12,9 Prozent. Die Abhängigkeit von Gelegenheitsarbeit als Haupterwerbstätigkeit ist ein Anzeichen von Gefährdung, insofern markiert dies eine positive Veränderung. Zudem stellten die Teilnehmer ihre Einkommensquellen breiter auf: 17,8 Prozent waren hauptsächlich in einkommensschaffenden Maßnahmen engagiert, 40 Prozent nannten sie als ihre Nebentätigkeit. Im Vergleich dazu wurde bei den Nicht-Teilnehmern kaum Beteiligung an solchen Maßnahmen verzeichnet; sie blieben weiterhin äußerst abhängig von Gelegenheitsarbeit.

Bei näherer Betrachtung der Ergebnisse zeigt sich, dass die Teilnehmer das Programm aufgrund einer Reihe begünstigender oder behindernder Faktoren mit unterschiedlicher Geschwindigkeit durchliefen. Diese Faktoren können auf Haushaltsebene liegen – wie zum Beispiel das Ausmaß der Armut zu Beginn des Programms, die Beziehungen innerhalb der Familie oder die Ausprägung ihres Unternehmergeistes – oder auch extern bedingt sein, wie die Realisierungschancen von Geschäftsideen. Die langsameren Teilnehmer investierten zunächst in Haushaltsgüter, die schnelleren nahmen bald einkommensschaffende Tätigkeiten auf und zogen daraus Gewinne.

2. Verhaltensbezogene Wirkungen, wie verbesserte Ernährungssicherheit

Die Anzahl der Hungermonate pro Jahr, von denen die Teilnehmer berichteten, konnte von sechs zu Beginn drastisch auf anderthalb am Ende des Programms reduziert werden. Die Nicht-Teilnehmer verzeichneten auch bei der zweiten Erhebung noch immer eine Hungerperiode von über sechs Monaten pro Jahr. Zudem aßen bei der Ausgangserhebung noch 81 Prozent der erwachsenen Teilnehmer des Programms täglich nur eine Mahlzeit; zum Ende des Programms war dieser Anteil auf 8 Prozent gesunken. Durch die regelmäßige Beratung gelang es, Wissen über Ernährung zu vermitteln und eine ausgewogenere Ernährung zu fördern.

Bei den Programmteilnehmern konnte die Nahrungsmittelvielfalt – die anhand der Anzahl täglich verfügbarer Nahrungsmittelgruppen bemessen wird – zwischen den beiden Erhebungen mehr als verdoppelt werden, nämlich von 2,3 auf 5,1 Nahrungsmittelgruppen pro Tag. Bei den Nicht-Teilnehmern erhöhte sich die Nahrungsmittelvielfalt im selben Zeitraum nur auf 3,1 Nahrungsmittelgruppen. Auch die Vielfalt der Kinderernährung konnte bei den Teilnehmern von 1,7 auf 3,4 verdoppelt werden (ein Anstieg von 100 Prozent), während der Anstieg bei den Nicht-Teilnehmern nur 50 Prozent betrug.

Mehr Kinder nahmen am Schulunterricht teil, während weniger Kinder außerhalb des Haushalts arbeiteten. Die Besuche der Gesundheitsstationen nahmen zu und die Zahl der regelmäßig sparenden Haushalte stieg exponentiell (45-fach bei den Teilnehmern und nur fünffach bei den Nicht-Teilnehmern). Außerdem wurden verbesserte Hygienepraktiken angenommen, wie zum Beispiel das Händewaschen.

Alle Teilnehmer erhielten zu Beginn des Programms Krankenversicherungskarten, die die formelle Gesundheitsversorgung kostengünstiger machten. Die Teilnehmer berichteten auch, dass sie besseren Zugang zu verschreibungspflichtigen Medikamenten bekamen; wahrscheinlich weil sie Teile ihres Einkommens dafür aufwenden konnten. Insgesamt besuchten bei der Ausgangsuntersuchung 56 Prozent der Beteiligten Gesundheitsstationen; bei der Enduntersuchung waren es 94 Prozent. Unter den Nicht-Teilnehmern war die Zunahme deutlich niedriger (von 53 auf 68 Prozent).

Die verhaltensbezogenen Wirkungen beschränkten sich nicht allein auf die Teilnehmer des Programms. Auch Nicht-Teilnehmer machten sich bestimmte Ansätze des Programms zu eigen: Sie legten Küchengärten an, bauten Latrinen, Tippy-Taps und Utensilienhalter und schlossen sich zu Spargruppen zusammen.

3. Soziale Wirkungen

Soziale Wirkungen sind aus unterschiedlichen Gründen schwieriger zu messen, unter anderem weil sie sich auch in den persönlichen Beziehungen außerhalb des Programms niederschlagen und diese Veränderungen nicht erhoben werden. Durch Terintambwe wurde der Gemeinsinn positiv beeinflusst: Die Teilnehmer engagierten sich mehr bei Gemeinschaftsaktivitäten (Schulverwaltung, Gesundheitsversorgung der Gemeinde, Katastrophenrisikominderung, Frauenkomitees und Kooperativen), nahmen häufiger an gesellschaftlichen Anlässen (Hochzeiten und anderen Zeremonien) teil und trugen auch zu deren Gestaltung bei.

Quantitative Ergebnisse zeigen, dass sich die Menschen nach Beendigung des Programms bereitwilliger zu Gruppen zusammenschlossen als vorher. Während zum Zeitpunkt der Ausgangsuntersuchung 72,7 Prozent der Teilnehmer Mitglieder von Gruppen innerhalb der Gemeinde waren, stieg dieser Wert auf über 95,4 Prozent. Im Vergleich dazu zeigte sich bei den Nicht-Teilnehmern nahezu überhaupt kein Anstieg der Gruppenmitgliedschaften. Qualitative Studien haben ergeben, dass die Teilnehmer durch das Programm an Selbstbewusstsein gewannen und vermehrt das Gefühl hatten, von der Gemeinschaft respektiert zu werden. In den Haushalten wurden Entscheidungen häufiger gemeinsam getroffen. Männer gaben in Bereichen, über die sie bisher bestimmt hatten, die Kontrolle ab (vor allem hinsichtlich des Einkommens der Frauen). Das veränderte Sozialverhalten kam sowohl den Teilnehmern als auch der gesamten Gemeinschaft zugute.

„Zero Hunger“ schneller erreichen

Foto: Chris de Bode/Concern Worldwide; Esperence Mutetiwabo (45) hat in ihrem Gemüsegarten Amaranthblätter, eine Aubergine und eine Avocado geerntet. Sie und ihr Ehemann Pascal Sezibera (56) wurden von Concern ermutigt, einen Küchengarten zu bauen, um die Gesundheit ihrer Familie zu verbessern, nachdem bei ihrer jüngsten Tochter Delphine (2) mittelschwere akute Fehlernährung diagnostiziert worden war. Ausblenden

Béatrice Kankera

Wir verwendeten eine Heilpflanze namens ‚umubirizi‘ und redeten uns ein, dass sie uns heilen würde. Manchmal kann ich sogar Bananensaft kaufen. Das hätte ich mir früher nie leisten können.Béatrice Kankera, Programmteilnehmerin Terintambwe

Béatrice Kankera Das Haus von Béatrice Kankera wurde 2012 beschädigt. Sie legte einen Teil ihrer Barüberweisungen zur Seite, um Wellblech zu kaufen, und baute damit das Haus für sich und ihre Töchter wieder auf (erstes Foto: 2012; zweites Foto: 2015).

Das Graduation-Programm stabilisiert den Nahrungsmittelkonsum seiner Teilnehmer, stärkt positives Verhalten in den Bereichen Ernährung, Bildung und häusliche Beziehungen und ermöglicht es den Haushalten, eige- ne einkommensschaffende Aktivitäten aufzunehmen. Dadurch kann Hunger schneller überwunden werden. Durch das Programm erreicht Concern Worldwide extrem arme Menschen und widmet sich den tiefer liegenden Ursachen extremer Armut, wie etwa Ungleichbehandlung, Risiken und Schadensanfälligkeit sowie niedrige oder ausbleibende Einkommen. Das Graduation-Modell bietet neue Gelegenheiten, nutzt die bereits bestehenden und schafft so selbst unter schwierigen Umständen nachhaltige Wege aus der Armut. Es erhöht die Fähigkeit der Teilnehmer, langfristig Schocks und Unbeständigkeit zu bewältigen. Béatrice Kankera, eine Terintambwe-Teilnehmerin aus der Provinz Kirundo im Nordosten des Landes, erzählte dem Concern-Team von ihren Erfahrungen mit dem Programm (siehe Box).

Extreme Armut überwinden – Eine Fallstudie Aus Der Provinz Kirundo

Béatrice Kankera, eine Teilnehmerin von Terintambwe, ist verwitwet und hat zwei Töchter, Aline und Nabelle. Das Concern-Team lernte sie 2012 kennen, als ihr Haus gerade erst während eines Sturms eingestürzt war. Nachdem sie für Terintambwe ausgewählt worden war, erhielt sie für die Dauer des Programms eine monatliche Barüberweisung und regelmäßige Beratung. Ihr wurde nahegelegt, sich der Spar- und Kreditgruppe anzuschließen, was sie auch tat. Das Team besuchte sie im Juli 2016 erneut, um zu eruieren, wie das Programm ihr Leben verändert hat.

Im Jahr 2012 war Béatrice extrem gefährdet. Beinahe hätte sie ihre Kinder aus der Schule nehmen müssen, weil sie sie nicht ernähren konnte. Damals hatten ihre Töchter und sie nur Maniok, Kartoffeln und Bohnen zu essen. Wenn sie krank wurde, hatte sie nicht genug Geld, um zur Gesundheitsstation zu gehen oder Medikamente zu kaufen. Béatrice Kankera hatte kein eigenes Land und auch keinerlei Mittel, um welches zu pachten und zu bebauen. Es blieb ihr nur, Gelegenheitsarbeiten auf den Feldern anderer Leute zu verrichten. Sie konnte weder lesen noch schreiben und nahm nicht an sozialen Zusammenkünften teil, weil sie glaubte, zu arm zu sein.

Auf die Frage nach ihren Eindrücken vom Terintambwe- Programm erklärt Béatrice, dass Concern Worldwide ihr sehr geholfen hat und sie heute nicht mehr hungrig schlafen geht. Der wichtigste Aspekt war, dass Concern Worldwide sie dabei unterstützte, ein Einkommen zu erwirtschaften, das sie in den Wiederaufbau ihres Hauses investieren konnte. Sie musste zwar zeitweilig pausieren, weil ihre Gewinne nicht ausreichten, kann aber dank ihrer Mitgliedschaft in der Spar- und Kreditgruppe seit Kurzem weiterbauen. Aus ihren Spareinlagen erhielt sie 37.500 BIF (EUR 20,40) und konnte mit diesem Geld und nach einer Schulung weiter Bananensaft herstellen und nun auch Avocados verkaufen. Béatrice ist weiterhin aktives Mitglied der Spar- und Kreditgruppe, auch wenn sie gerade kein Geld sparen kann.

Sie hat zwar einige Aspekte der Beratung inzwischen vergessen, erinnert sich aber noch gut an die Trainings zu Hygiene und HIV/AIDS und findet, dass diese Hygieneberatung extrem hilfreich war. Béatrice nimmt derzeit pro Monat mit dem Bananensaftgeschäft BIF 12.000 (EUR 6,50) und BIF 16.500 (EUR 9,00) mit dem Verkauf von Avocados ein. Von diesem Geld kann sie Land pachten und dort Nutzpflanzen anbauen. Vor Beginn des Programms konnte sie nur ihre Dienste als Hilfsarbeiterin anbieten. Wenn sie auch noch keine großen Flächen besitzt (sie baut auf 0,8 Hektar Bananen an), kann sie nun zumindest Land pachten. Trotzdem ist ihre Ernährungssicherheit noch immer gefährdet. Zwischen April und Oktober liegt die magere Jahreszeit und die Nahrungsmittel sind knapp. Dennoch schätzt sie ihre Situation heute als sehr viel besser ein, da die Familie immerhin zu essen hat und sie ihre Kinder ausreichend versorgen kann. Im Allgemeinen essen Béatrice und ihre Töchter zweimal am Tag. Manchmal können sie sogar dreimal täglich essen. Das weiß sie zu schätzen, denn in der Regel essen Bauern in Burundi nur zweimal am Tag. Ihre normale Mahlzeit besteht heute aus Reis und Bohnen, gelegentlich durch Bananen ergänzt. Da sie einen Küchengarten hat, gibt es auch manchmal Gemüse der Saison. Sie kann ihre Nahrung mit Salz und Palmöl anreichern, was ihr früher nicht möglich war. Die beiden Töchter gehen zur Schule und die ältere (15 Jahre alt) schließt in Kürze die Grundschule ab.

Heute traut Béatrice sich zu, an gesellschaftlichen Ereignissen teilzunehmen, und wird sogar bei Konflikten hinzugerufen, um Rat zu geben. Sie träumt davon, für sich und ihre Kinder Land zu kaufen und dort Bohnen, Maniok und Bananen anzubauen.

Blick nach vorn

Foto: Darren Vaughan/Concern Worldwide; Im Rahmen des Abschlussprogramms erhielt Odette Ndagijimana (23) eine monatliche überweisung auf ihr Mobiltelefon. Sie hat den Haushalt so gut geführt, dass sie im Schnitt rund 80 Prozent sparen konnte. Das ermöglichte ihr, ihr Haus wieder aufzubauen und zu erweitern, indem sie das undichte Strohdach durch eines aus Wellblechplatten ersetzte. Sie konnte außerdem fünf Ziegen kaufen und ein Grundstück für den Anbau von Maniok, Taro und Süßkartoffeln anmieten. Ausblenden

67.8%

Prozent der teilnehmenden Haushalte waren zu Beginn des Programms auf Gelegenheitsarbeit angewiesen.

12.9%

der Teilnehmer waren nach Ende des Programms auf Gelegenheitsarbeit angewiesen.

Mehr als

50%

der Nicht-Teilnehmer waren nach Ende des Programms noch auf Gelegenheitsarbeit angewiesen.

Es gibt immer mehr Belege dafür – nicht nur aus Burundi, sondern auch aus anderen Graduation-Programmen (Ruanda, Haiti, Bangladesch und Sambia) –, dass dieser Ansatz die Menschen nachhaltig von Armut und Hunger befreien kann. Graduation-Programme sind vielseitig. Wie viele andere Initiativen erfordern auch sie politischen Willen, berechenbare Finanzierung, Koordination, ein tiefgehendes Verständnis des Umfelds und eine sorgfältige Umsetzung, um sicherzustellen, dass das Ganze mehr ergibt als die Summe seiner einzelnen Bestandteile. Die Arbeit von Institutionen wie IDS und CGAP ist sehr förderlich, da sie diejenigen Aspekte des Programms identifiziert, die für seine Effektivität in spezifischen Kontexten entscheidend sind, und die positiven Wirkungen aufzeigt.

Die Regierungsbehörden in Burundi, darunter das Bildungsministerium, das Gesundheitsministerium, das Ministerium für nationale Solidarität und das Ministerium für Geschlechterfragen, spielen eine Schlüsselrolle bei der Bereitstellung von Dienstleistungen für die Gemeinden. Die burundische Regierung unterstützt das Programm in hohem Maße und legt das Graduation- Modell von Concern Worldwide der Ausarbeitung seiner nationalen Strategie zur sozialen Sicherung zugrunde. Gemeinschaftsgesteuerte Ansätze und verlässliche Partnerschaften sind weiterhin für eine effektive Umsetzung von zentraler Bedeutung. Bisher sind Biraturaba, das Forum für afrikanische Pädagoginnen, Burundi Business Incubator, Emuso (der Partner im Alphabetisierungsbereich) und das burundische Rote Kreuz die starken Partner bei der Umsetzung. Auch in Ruanda ist diese entscheidende Unterstützung von staatlicher Seite zu beobachten; dort ist das Graduation- Programm von Concern Worldwide eng mit dem nationalen sozialen Sicherungsprogramm verbunden (VUP2020). In Sambia wurden die Wirkungen von Training und Beratung untersucht und festgestellt, dass kaufmännische Kenntnisse und ressourcenschonende landwirtschaftliche Verfahren nachhaltig eingesetzt werden können. Die Trainings stärken das Selbstbewusstsein der Menschen genauso wie ihre Fähigkeit, Einkommen und Know-how zu generieren. Folglich haben diese Faktoren langfristige Wirkungen.

Es gibt noch immer Bereiche, die genauer untersucht werden sollten. So muss zum Beispiel die Auswirkung des kombinierten Graduation-Modells auf die Ernährung von Kindern erforscht werden, um einschätzen zu können, ob der generationenübergreifende Zyklus der Armut durchbrochen werden konnte. Auch bessere Methoden zur Messung sozialen Kapitals sind dringend nötig. Während wir kontinuierlich weiter lernen und Erkenntnisse sammeln, scheint es unbestritten, dass Graduation-Modelle dazu beitragen können, das Ziel „Zero Hunger“ schneller zu erreichen. Sie bekämpfen die zahlreichen Facetten der Armut, von Ungleichbehandlung und Mittellosigkeit bis zur Risikoanfälligkeit. Für die wachsende Anzahl von Menschen in Burundi, die von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, und für Menschen wie Béatrice Kankera, denen ein Rückfall in Armut und Hunger droht, verdient dieser Ansatz – ebenso wie die Lehren und Erkenntnisse, die mit seiner Hilfe gewonnen werden konnten – Aufmerksamkeit und Unterstützung auf nationaler und internationaler Ebene.