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Förderung von Widerstandsfähigkeit im Sahel und am Horn von Afrika

Förderung von Widerstandsfähigkeit im Sahel und am Horn von Afrika


 
   
Länder-Fallstudie
Oktober 2013
Foto: Thomas Lohnes/Welthungerhilfe, Sierra Leone, Bo, ein Junge holt in Venema Reis aus einem neu angelegten Lagerhaus, welches das Getreide vor Ungeziefer und Ratten schützen soll, die früher bis zu 50 Prozent des Reises vernichtet haben, 2009; Ausblenden

Anmerkung: Dieses Kapitel präsentiert keine Forschungsergebnisse, sondern stellt Beispiele aus der praktischen Arbeit und Erfahrungen der Welthungerhilfe und von Concern Worldwide vor Ort vor. Es wurde von Mitarbeitern der Welthungerhilfe und von Concern Worldwide geschrieben und stellt die Sichtweise ihrer Organisationen dar.


Concern's Program Areas in Niger, Chad, Ethiopia, and Kenya

Quelle: Concern Worldwide auf Grundlage offiziellen Kartenmaterials.

“Ich erinnere mich, dass wir 2010 sehr litten. Erst hatten wir starken Regen und Hagelstürme. Es regnete fast jeden Tag, was dazu führte, dass sich unsere Kartoffeln auf den Feldern mit verschiedenen Krankheiten infizierten. Im Juli und August hatten wir starken Frost, der den Weizen und die Gerste angriff und schließlich zum Verlust der Ernte führte. Wir hatten nichts zu essen und man konnte die Trauer in den Gesichtern der Menschen sehen.

Es ist notwendig, dass die jungen Leute das Wissen und die Praktiken unserer Vorfahren wieder anwenden. Wir müssen unsere Einstellung ändern und aufhören, Wasser zu verschwenden und die Steppe zu roden. Stattdessen müssen wir unsere einheimischen Sorten erhalten und anbauen, weil sie Schädlingen und Krankheiten besser widerstehen. Unsere Behörden müssen vorbereitet sein und uns bei Katastrophen umgehend helfen.” Toribio Hualla Quispee, Bezirk Colquepata, Peru

Concern begreift extreme Armut als einen Zustand, in dem Menschen entweder nur sehr geringen Besitz haben oder mit dem Besitz, über den sie verfügen, kaum Einkommen erzielen können. Aufgrund struktureller Benachteiligung und weil sie vielfältigen Risiken ausgesetzt sind und diesen kaum etwas entgegensetzen können, schaffen sie es nicht, sich aus der extremen Armut zu befreien. Will man Veränderungen bewirken, sind also die folgenden Strategien entscheidend: Aufbau und Sicherung von Besitz und Vermögen, Förderung der Gleichberechtigung und Stärkung der Widerstandsfähigkeit, die eine notwendige Vorbedingung für die überwindung von extremer Armut und Hunger ist.

Von der Tahoua-Region in Niger lernen

In Niger, wo sich Concern seit mehr als einem Jahrzehnt engagiert, werden jährlich über 300.000 Kinder wegen Mangelernährung behandelt und zwischen einer Million und drei Millionen Menschen leiden durchschnittlich jedes Jahr an Ernährungsunsicherheit. Die Existenzgrundlagen der ärmsten sind durch die anhaltende Verschlechterung der Umweltbedingungen, die fortschreitende Wüstenbildung, regelmäßige Schädlingsinvasionen und ungenügende Reaktionen auf häufigere Dürrezyklen ständig bedroht. Sich wiederholende Krisen haben ländliche Haushalte verarmen lassen. Chronische Mangelernährung ist andauernd in hohem Maß vorhanden und hat in den letzten 20 Jahren noch zugenommen. Inzwischen fällt in etwa jede dritte Ernte schlecht aus. Die Bauern und Viehhalter sind am stärksten betroffen, da sie oftmals in der fünfmonatigen Hungerperiode zwischen Mai und September ihren Nahrungsbedarf nicht decken können.

Zwischen April 2010 und September 2012 begegnete Concern mehreren Ernährungskrisen in der Region mit Interventionen, die die Organisation über den Zeitraum von drei „Hunger-Perioden“ wissenschaftlich begleiten und evaluieren ließ: von April bis Dezember 2010 (Aker et al. 2011), von Mai bis Dezember 2011 (Aker und Nene 2012) und von Juli bis September 2012 (Bliss 2012). Diese Interventionen und die entsprechende Begleitforschung konzentrierten sich auf die Auswirkungen von Geldtransfers auf den Ernährungszustand und die allgemeine Armutssituation. Eine nähere Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Geldtransfers und Ernährungssituation in Niger ergab folgende Erkenntnisse:

  1. Geldtransfers scheinen die Ernährungssituation kurzfristig zu verbessern, weil sie zu regelmäßigeren Mahlzeiten für Kinder und zu einem erhöhten Verzehr von Hülsenfrüchten führen. Ein Großteil der Geldtransfers wird von den Haushalten für Nahrungsmittel ausgegeben. Selbstverständlich sind Ausgaben für Nahrungsmittel von deren Verfügbarkeit abhängig. Je nach örtlichen Gegebenheiten sind also entweder Nahrungsmittel- oder Geldtransfers die am besten geeignete Form der Hilfe.
  2. Wenn das Ziel eines Programms die Verbesserung oder Erhaltung des Ernährungszustandes ist, sollten Geldtransfers durch weitere Maßnahmen ergänzt werden, die die zugrunde liegenden Ursachen von Mangelernährung und Ernährungsunsicherheit bekämpfen.
  3. Ernährungsindikatoren (etwa die Anzahl der Hungertage, die Vielfalt der konsumierten Nahrungsmittel oder der Anteil globaler akuter Mangelernährung) sollten regelmäßig erhoben und überwacht werden, um die Verwendung der Transferleistungen nachzuvollziehen und den Erfolg des Programms zu messen.

Die gewonnenen Erkenntnisse führten zu der Einsicht, dass sowohl Geldtransfers als auch therapeutische Ernährungsprogramme, die auf die Bedürfnisse der Menschen während saisonaler Hungerperioden abzielen, nicht ausreichen, um Widerstandsfähigkeit gegenüber regelmäßig wiederkehrenden Hungerkrisen aufzubauen. Vielmehr sind längerfristige Entwicklungsmaßnahmen notwendig, die die Menschen dabei unterstützen, umfassendere Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Diese Erkenntnisse beeinflussen die Planung und Umsetzung der Programme von Concern im Niger und andernorts.

Von Wollo und Wolayta in äthiopien lernen

Im Distrikt Dessie Zuria in der Zone Südwollo der äthiopischen Amhara- Region liegt der Anteil der Wachstumsstörungen bei Kindern (stunting, ein Maß für chronische Mangelernährung) mit 54 Prozent weit über dem nationalen Durchschnitt von 44 Prozent. Dieser Distrikt ist von chronischer Ernährungsunsicherheit betroffen. Ungefähr 40 Prozent der Bevölkerung sind von sozialen Sicherungsleistungen abhängig. Jährliche Untersuchungen zeigen, dass der Anteil akut unterernährter Kinder zwischen 2000 und 2010 nur einmal unter zehn Prozent gesunken ist.

Die Lebensgrundlagen auf dem Land, speziell die der extrem armen Menschen, sind vielerorts durch umweltbedingte Risikofaktoren und plötzliche Krisen bedroht. Klimaschwankungen, Erkrankungen von Menschen und Tieren, Schädlinge, überschwemmungen und Erdrutsche sind allgegenwärtig und beschränken die Erwerbsmöglichkeiten. In der Wolayta-Zone, welche sich in der Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker (Southern Nations, Nationalities, and Peoples’ Region – SNNPR) befindet, waren im Jahr 2011 86.359 ländliche Haushalte für mehr als sechs Monate von ernster Nahrungsmittelknappheit betroffen. Viele waren auf die Leistungen des staatlichen Productive Safety Net Program (PSNP, siehe Box S. 26) angewiesen. Die Teilnahme an diesem Programm zählt neben Betteln, dem Verzehr ungenießbarer Wildfrüchte und der Arbeit als Tagelöhner zu den wichtigsten Bewältigungsstrategien.

Concern hat viele Jahre lang Programme in äthiopien durchgeführt, angefangen von Nothilfemaßnahmen bis hin zu längerfristigen Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit, wie zum Beispiel Projekten zur Verbesserung des Gesundheitssystems. Im Laufe der Zeit haben die Concern-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in äthiopien die Notwendigkeit erkannt, die Widerstandsfähigkeit lokaler Gemeinden durch multisektorale Ansätze zu stärken, die mit den Strategien der äthiopischen Regierung im Einklang stehen. Dieser integrierte Ansatz unterstützt verwundbare Gemeinden darin, ihre Anpassungskapazität zu stärken. Dadurch sind sie in der Lage, sowohl mit kurzfristigen Krisen und Belastungssituationen, die vorübergehende Ernährungsunsicherheit zur Folge haben, als auch mit langfristigen Veränderungen umzugehen, die zu chronischem Hunger und Mangelernährung führen, wie zum Beispiel der Verschlechterung der Umweltbedingungen.

Die Arbeit in äthiopien hat viele wichtige Erkenntnisse zutage gefördert:

  • Ein multisektoraler Ansatz ermöglicht es, die inhaltliche Verknüpfung von Ernährungsfragen mit anderen Bereichen, wie Landwirtschaft, Gesundheit, Gleichberechtigung der Geschlechter, Wasser und Hygiene, optimal zu nutzen.

  • Die Zusammenarbeit mit existierenden Koordinierungsmechanismen und Verwaltungsstellen fördert die Nachhaltigkeit und die Eigenverantwortung der beteiligten Akteure.

  • Erfolgreiche Ansätze zur Stärkung von Widerstandsfähigkeit sollten laufend dokumentiert werden, um Grundlagen für neue und bessere Programme zu schaffen sowie Forschungsergebnisse und Innovationen zu fördern, die weitergegeben werden und dazu dienen können, auf notwendige politische Veränderungen hinzuwirken.

  • Die Lebensgrundlagen können besser geschützt werden, indem umweltbedingte Risikofaktoren verringert, Technologien zur Verminderung von Naturgefahren eingesetzt und Praktiken zur nachhaltigen Agrarproduktion unterstützt werden.

  • Es ist erforderlich, sich im Hinblick auf Resilienz mit der Rolle der Geschlechter auseinanderzusetzen: Nur so können die größere Vulnerabilität von Frauen gegenüber Katastrophen (Neumeyer und Plümper 2007) und ihre spezifische Rolle beim Aufbau von Widerstandsfähigkeit berücksichtigt werden.

  • Notwendig ist auch, Katastrophen von vornherein in der Planung zu berücksichtigen, eine entsprechende Reaktionsstrategie vorzuhalten und Kapazitäten zu bestimmen, um kleineren Krisen begegnen oder im Falle von größeren Katastrophen eine Erstreaktion leisten zu können. Lokale Regierungsstellen sollten zudem mit Frühwarnsystemen ausgestattet werden. Darüber hinaus sollten Kommunikation und Austausch auch während Krisen kleineren Ausmaßes aufrechterhalten werden, um sicherzustellen, dass die Ernährungssicherheit nicht durch die sich summierende Wirkung geringfügiger Belastungen gefährdet wird.

Die dargestellten Erfahrungen aus den Programmen in Südwollo und Wolayta werden dazu beitragen, dass die Zusammenarbeit von Concern mit der Regierung und weiteren Akteuren die Situation von Menschen und Gemeinden noch wirkungsvoller verbessert.

Von Moyale in Kenia lernen

Seit 2006 unterstützt Concern ein umfassendes Maßnahmenbündel zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit nomadischer Gemeinschaften im Moyale- Distrikt im nördlichen Kenia. Die Trockenheitsperioden der letzten Jahre, darunter die Dürren von 2006 und 2009, haben sowohl den Besitz ausgehöhlt als auch die Bewältigungskapazitäten der Haushalte in Moyale untergraben, wie der Rückgang des Viehbestands und die Verschlechterung des Gesundheitszustands zeigen. Eine Programmevaluierung von Concern zeigte jedoch, dass die Rate schwerer akuter Mangelernährung von Kindern in Moyale Anfang 2011 um 50 Prozent sank, während sie sich in den Nachbarregionen mehr als verdreifacht hatte (Tabelle 4.2) (Erasmus, Mpoke und Yishak 2012). Außerdem stieg der Anteil der global akut mangelernährten Kinder weniger als in den umliegenden Distrikten.

Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, den Anteil der an schwerer akuter Mangelernährung leidenden Kinder in Moyale zwischen 2010 und 2011 zu senken:

  1. Die kontinuierliche Förderung der Widerstandsfähigkeit lokaler Gemeinden durch den Gegebenheiten angepasste, multisektorale Maßnahmen wie: die Einführung von Trockenfeldbau (zusätzlich zur Viehwirtschaft) zum Anbau von Kohl, Zwiebeln, Tomaten und Früchten, die Einführung dürreunempfindlicher Pflanzen wie Maniok, die Verbesserung von Bewässerungssystemen, die Diversifizierung des Viehbestandes, die Bewirtschaftung von Weideland, die Entschärfung von Konflikten um den Zugang zu Weideflächen und die Verbesserung des Wasserzugangs.
  2. Die Stärkung der Fähigkeit der Regierung, mit Nahrungskrisen umzugehen, indem das Gesundheitsmanagement-Team des Distrikts Weiterbildungsmaßnahmen erhält; Abläufe festgelegt und Monitoringsysteme eingerichtet werden, um die Qualität der Gesundheitsdienste fortlaufend zu überprüfen; Maßnahmen zum Einsatz kommen, die erwiesenermaßen den größten Einfluss auf die Sterblichkeitsrate haben; die Budgetplanung verbessert wird; Schwellenwerte, Strategien und Richtlinien für die Ausweitung bzw. die Reduzierung bestimmter Interventionen festgelegt werden, und die Situation ständig daraufhin überprüft wird, ob kritische Schwellenwerte für die Ausweitung von Interventionen überschritten werden.
  3. Die frühzeitige Ausweitung hochwirksamer Ernährungsinterventionen, wenn Krisenalarm ausgelöst wird.
  4. Koordinierung zwischen Concern, den lokalen kenianischen Regierungsbehörden, dem Welternährungsprogramm (WFP) und World Vision (Letztere stellten wichtige Nahrungsmittelrationen für unterernährte Kinder zur Verfügung).

Linking Humanitarian and Development Programming in an Integrated Manner

Programmplanung für die Stärkung der Widerstandsfähigkeit lokaler Gemeinden im Tschad

Es besteht großes Interesse daran, die Widerstandsfähigkeit lokaler Gemeinden zu stärken. Leider sind kaum Daten verfügbar, die Rückschlüsse darüber erlauben, welche Maßnahmenpakete in einem gegebenen Umfeld am wirkungsvollsten sind. Um diese Lücke zu schließen, kooperiert Concern mit dem Feinstein International Centre (FIC) der Tufts University: Das Programm zur Stärkung von Resilienz lokaler Gemeinden gegenüber akuter Mangelernährung (Community Resilience to Acute Malnutrition – CRAM) von Concern im Osten des Tschad soll nach strengen wissenschaftlichen Kriterien begleitend evaluiert werden. Es besteht die Hoffnung, so Forschungsergebnisse zu erzeugen, die auch in internationale Diskussionen über das Konzept der Resilienz eingebracht werden können.

Basierend auf den Erfahrungen aus anderen Programmen, entwickelte Concern Anfang 2012 ein Dreijahresprogramm, das Maßnahmen in den Bereichen Wasser, Ernährung, Minderung von Gefahren durch Katastrophen, Sicherung der Lebensgrundlagen und Verringerung wirtschaftlicher Ungleichheit beinhaltete. Das Programm wurde entwickelt, um die allgemeine Gesundheitssituation, Ernährungslage und Existenzsicherung der ländlichen Bevölkerung von Dar Sila im Osten des Tschad zu verbessern und gleichzeitig ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen zu stärken.

Zwischen 2005 und 2010 wurden durch Konflikte auf beiden Seiten der Grenze zwischen Tschad und Sudan viele Menschen aus der Region Dar Sila vertrieben. Während sich die Sicherheitssituation verbessert hat, bleibt die Region nach wie vor anfällig für Ernährungskrisen. Dies liegt unter anderem an stark schwankenden Niederschlägen, Nahrungsmittelpreisanstiegen, begrenzten Reserven auf Haushaltsund Gemeindeebene und einem Fehlen alternativer Einkommensquellen. Nachdem die Bevölkerung 2009 schlechte Ernten, 2010 überschwemmungen und 2011 erneut unterdurchschnittliche Ernten, die zum Teil durch Schädlingsbefall und unregelmäßige Niederschläge bedingt waren, erlebt hatte, kann sie neuen Krisensituationen kaum noch etwas entgegensetzen: Diese Ereignisse haben die Vorräte erschöpft und bereits zu Nahrungsmittelknappheit geführt.

Mittels eines integrierten, multisektoralen Ansatzes will Concern eine Reihe von Projekten umsetzen, die auf unterschiedliche Bedürfnisse zugeschnitten sind und gleichzeitig übergeordnete Ziele verfolgen. Der Erfolg wird anhand des Wohlstands der Haushalte gemessen (durch Parameter wie Viehbesitz und Vermögenswerte). Steigender Wohlstand soll zu besserer Nahrungsmittelverfügbarkeit und zu einer ausgewogeneren Ernährung beitragen. Außerdem wird erwartet, dass die lokale Bevölkerung seltener auf negative Bewältigungsstrategien zurückgreifen muss. Die Verbesserungen bei Gesundheit und Ernährung werden überprüft, indem beobachtet wird, ob sich Fürsorgepraktiken in Bezug auf Gesundheit und Verhalten von Kindern vorteilhaft verändern. Die Verbesserungen bei Wasserversorgung und Hygiene werden daran gemessen, ob der Zugang zu Trinkwasser und Latrinen zunimmt. Die Wirkung des Gesamtprogramms soll daran überprüft werden, ob sich der Ernährungszustand von Kindern und die Gesundheit der Mütter verbessern.

Der erste Teil des Programms will mit einem umfassenden Maßnahmenpaket den Aufbau langfristiger Widerstandsfähigkeit auf lokaler Ebene einleiten. Im Zentrum stehen vier Interventionsbereiche (Abbildung 4.2), denen als wesentliches Element gemeinsam ist, dass sie auf soziale Veränderungen und eine Verhaltensänderung abzielen. Die resilienzstärkenden Bestandteile des Programms sind:

  1. Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion und Diversifizierung der Einkommensquellen und Rücklagen (ressourcenschonende Anbaumethoden und Hausgärten fördern, die Fruchtbarkeit der Böden verbessern, Beratungsdienste für Landwirtschaft und Tierhaltung unterstützen, den Marktzugang der Bauern fördern).
  2. Verbesserung des Zugangs zu Gesundheitsdiensten durch Aufklärungskampagnen und Versorgung von Krankheitsfällen innerhalb der Gemeinde, Ausbildung von Laienpflegern, wirksame Behandlung mittelschwerer akuter Mangelernährung und Stärkung des offiziellen Gesundheitssystems.
  3. Verbesserung des Zugangs zu sauberem Wasser und der Hygieneverhältnisse auf Gemeindeebene.
  4. Arbeit mit Gemeindegruppen auf allen Ebenen; dazu gehören die Bildung leitender Organe wie Dorfentwicklungskomitees mit dem Ziel einer verantwortlicheren Selbstverwaltung, die Stärkung der Kapazitäten dieser Gruppen und die Sicherstellung der uneingeschränkten Teilnahme von Frauen. Das beinhaltet eine enge Zusammenarbeit mit den Gemeindevorstehern und den Versuch, ihre Einstellungen und Verhaltensweisen zu verändern. Ein geplantes Ergebnis der Arbeit mit Gemeindegruppen ist ein Katastrophenmanagementplan.
  5. Programmübergreifend will Concern mit allen Beteiligten auf soziale Veränderungen und notwendige Verhaltensanpassungen hinwirken. Dazu gehören Neuerungen bei der Ernährung von Kindern, bessere Händewaschpraktiken und veränderte Anbaumethoden von Bauern unter Verwendung ressourcenschonender landwirtschaftlicher Techniken.

Der zweite Teil des Programms strebt die Errichtung eines umfassenden, gemeindebasierten Frühwarnsystems an, das kritische Schwellenwerte für wichtige Indikatoren festlegt, die anzeigen, wann Nothilfemaßnahmen notwendig sind. Bei einer Krise werden zunächst die kommunalen Bewältigungsmechanismen aktiviert. Erst wenn diese nicht mehr ausreichen, werden durch das Programm weitere Maßnahmen veranlasst: Fähigkeiten zum Durchführen von Marktanalysen und Ernährungserhebungen werden gestärkt; Systeme zur Ausweitung von finanziellen Transferleistungen werden in Kraft gesetzt; eine Struktur für die sofortige Verteilung von Nothilfelieferungen wird aufgebaut; Dorfkarten werden erstellt, die zeigen, wo die krisenanfälligsten Haushalte leben; und eine Strategie zur Aufstockung der Personaldecke wird entwickelt.

Folgende Primärdaten sollen erhoben werden: die Preise der wichtigsten Grundnahrungsmittel auf einigen ausgewählten Märkten und – auf Grundlage stichprobenartiger Befragungen auf Haushaltsebene – Daten zu angewandten Bewältigungsstrategien (Coping Strategy Index). Die Erhebung zu den Bewältigungsstrategien konzentriert sich auf die vier Verhaltensdynamiken, die auf lokaler Ebene am aussagekräftigsten sind (Maxwell und Caldwell 2008): (1) Veränderungen in der Qualität oder Quantität der konsumierten Nahrung, (2) kurzfristige Maßnahmen zur Erhöhung der Nahrungsmittelverfügbarkeit auf Haushaltsebene, (3) Ad-hoc-Maßnahmen, um die Anzahl der zu ernährenden Personen in einem Haushalt zu senken, wie etwa die Unterbringung von Kindern bei Verwandten, und (4) Rationierung oder Bewältigung der Knappheit.

Dieses Programm wird in 53 der 88 Dörfer in Kimiti umgesetzt werden. In 35 von ihnen wird dasselbe Maßnahmenpaket angewandt werden; die Wirkungen sollen genau beobachtet werden, um den Erfolg des Programms zu überprüfen. In 18 Dörfern werden ausgewählte Elemente des Programms umgesetzt werden, teilweise als Pilotprojekt für geplante Folgeinterventionen. Die verbleibenden 35 Dörfer sollen von dem gestärkten staatlichen Gesundheitssystem in der Region profitieren und werden in das Frühwarnsystem eingebunden. Auch hier sollen Befragungen durchgeführt werden, um zu zeigen, dass die Intervention erfolgreich war. Sollten diese Dörfer den kritischen Schwellenwert für Nothilfemaßnahmen überschreiten, wird Concern eingreifen.

Wenn die Werte der Frühwarnindikatoren, darunter Maße für Regenfall und Vegetation, einen kritischen Grenzwert überschreiten, werden die Nothilfemaßnahmen ausgelöst. Das Ziel des resilienzstärkenden Maßnahmenpakets von Concern ist es, die Auswirkungen einer Krise zu minimieren. Das heißt, die Anzahl der Hungertage soll gesenkt, die Zahl der Menschen, die unter globaler akuter Mangelernährung leiden, reduziert und der Zeitraum, der benötigt wird, um sich von einer Krise zu erholen, verkürzt werden. Die Umsetzung des vorgesehenen Maßnahmenpakets soll nicht nur in „normalen“ Jahren positive Auswirkungen auf die Ernährung von Kindern und Müttern haben, sondern auch in Jahren, in denen die Region wetterbedingte Katastrophen zu verkraften hat. Damit ist in etwa alle drei Jahre zu rechnen.

Abbildung 4.3 zeigt die zu erwartenden Wirkungen des Programms. Die rote Linie stellt die Werte für einen der Frühwarnindikatoren von Concern Worldwide während eines normalen Jahres dar. Dieser Indikator schwankt aufgrund saisonaler Faktoren und kann dem Grenzwert für Nothilfemaßnahmen sehr nahe kommen, der durch die horizontale gestrichelte Linie dargestellt wird. Wird dieser kritische Grenzwert überschritten (wahrscheinlich einmal alle drei Jahre), werden Nothilfemaßnahmen in Betracht gezogen. Der Wert des Indikators kann im Kontrollgebiet ohne Programminterventionen sehr hoch ansteigen (orange Linie), aber durch die resilienzstärkenden Maßnahmen von Concern sollten Ausmaß und Dauer dieser Spitzen im Interventionsgebiet deutlich geringer ausfallen (grüne Linie).

Abbildung 4.3: Der Ansatz von Concern Worldwide zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit von GemeindenQuelle: Autoren.
Anmerkung: Der ausgewählte Frühwarnindikator könnte zum Beispiel der Coping Strategy Index oder der Preis eines Grundnahrungsmittels sein.

Kollaborativer Ansatz von resilienzstärkenden Programmen

Entwickelt man Programme zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Gemeinden gegenüber Mangelernährung, ist der Kontext von alles entscheidender Bedeutung. Dabei ist es wichtig, dass das zugrunde liegende Leitbild oder die Arbeitsprinzipien in jedem Kontext Anwendung finden können; gleichzeitig muss jedoch Raum für die Berücksichtigung ökologischer und kultureller Besonderheiten bleiben. Concerns Erfahrung hat gezeigt, dass Programmmanager dazu tendieren, sich auf praktische und greifbare Dinge zu konzentrieren. Den komplexeren und schwieriger zu lösenden Fragestellungen, zum Beispiel im Hinblick auf die Gestaltung von Prozessen und in Bezug auf Macht, Ungleichheit und vor allem den Transformationsbedarf von öffentlicher Institutionen, wird nicht genug Beachtung geschenkt.

Resilienz kann sich nicht im leeren Raum entwickeln. Multidisziplinäres Denken und multisektorale Ansätze sind erforderlich. Will man Widerstandsfähigkeit effektiv stärken, muss auf verschiedenen Ebenen angesetzt werden: Die kommunale Verwaltung muss mit den Regierungsstellen und öffentlichen Dienstleistungen auf Distriktebene verknüpft und mit den Strategien und politischen Maßnahmen auf nationaler Ebene verbunden werden.

Man muss sich im Klaren darüber sein, was diese Anforderung bedeutet: In Sambia sah sich Concern bei seinen Bemühungen, die Zusammenarbeit mehrerer Ministerien im Kampf gegen hungerbedingte Wachstumsstörungen von Kindern zu fördern, mit großer institutioneller Schwerfälligkeit konfrontiert. Damit eine der beteiligten Institutionen die Verantwortung für die Verbesserung der Ernährung übernimmt, ist es wichtig, deutlich zu machen, inwiefern die Resilienz von Gemeinden von den Plänen der einzelnen Sektoren abhängig ist. Ein wesentlicher Schritt ist, dass die betreffenden Ministerien verstehen, wie sie interagieren, und dass sie sich auf eine Form der Zusammenarbeit einigen (Abbildung 4.4). Eine treibende Kraft für die Zusammenarbeit sollten verbindliche Zielsetzungen zur Verbesserung der Ernährungssituation sein, die in einer nationalen Ernährungsstrategie entsprechend den Richtlinien von Scaling Up Nutrition (SUN) festgelegt sind (SUN 2013).

Abbildung 4.4 Kontinuum der Zusammenarbeit bei der ProgrammplanungQuelle: übernommen von Harris und Drimie (2012).

BOX 4.2

Einige Grundsätze für die Entwicklung von resilienzstärkenden Programmen

Diese Leitprinzipien können die Planung resilienzstärken der Programme in der Praxis unterstützen:

  • Systematische Risikoanalyse vornehmen, die Unsicherheiten hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung und die denkbar ungünstigsten Szenarien bei der Planung berücksichtigt.
  • Ursachen von Vulnerabilität reduzieren, indem Besitz und Vermögen aufgebaut und nachhaltige Existenzsicherung gefördert werden.
  • Ursachen für Ungleichheit beseitigen.
  • Absorptions- und Anpassungskapazitäten von Gemeinden aufbauen; dazu gehört ein besserer Zugang zu Sicherheitsnetzen und sozialer Sicherung.
  • Kapazitäten fördern, um wirksam und rechtzeitig Nothilfemaßnahmen einleiten zu können.
  • Verantwortliche Regierungsführung stärken und eine Kultur der Innovation und des Lernens aufbauen.

Fazit

Die Resilienz von Gemeinden ist ein Ergebnis. Es geht dabei um die Fähigkeit einer Gemeinschaft, Krisen oder Belastungssituationen vorherzusehen, darauf zu reagieren, sie zu bewältigen und sich von ihren Folgen zu erholen, ohne auf Verhaltensweisen zurückzugreifen, die ihre Lebensqualität beeinträchtigen und ihre langfristigen Chancen, sich aus Armut und Hunger zu befreien, verringern. Um lokale Ernährungskrisen zu verhindern, müssen Gemeinden die Ursachen der Krisen analysieren und in die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Lösung dieser Probleme einbezogen werden (Box 4.2).

Auch wenn man die Initiativen der letzten Jahre betrachtet, wie zum Beispiel das Programm Global Alliance for Action for Drought Resilience and Growth in the Horn of Africa (Globale Aktionsallianz für Resilienz gegen Dürre und für Wachstum am Horn von Afrika; SHARE) und die Global Alliance for Resilience Initiative in der Sahelzone (Globale Allianz für Resilienz im Sahel; AGIR-Sahel), bleibt folgender Eindruck bestehen: Der gegenwärtige Ansatz, mit dem versucht wird, die chronischen Ernährungskrisen im Sahel und am Horn von Afrika in den Griff zu bekommen, ist nach wie vor fragmentiert, dysfunktional und ineffektiv. In anderen Ländern, die, wie Haiti, regelmäßig von Naturkatastrophen erschüttert werden, findet das Resilienz- Konzept gerade erst Eingang in die Entwicklungsdebatten. Bislang werden solche Krisen und ihre Ursachen nicht ausreichend aus Resilienz-Perspektive analysiert.

Bemühungen zur Stärkung von Widerstandsfähigkeit erfordern ein systemorientiertes Denken. Mit dieser Herangehensweise kann das Resilienz-Konzept dazu beitragen, dass sich humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit radikal verändern: Die beiden traditionell getrennten Arbeitsbereiche müssen stärker zusammenrücken. Denn die Stärkung von Widerstandsfähigkeit erfordert einen integrierten Ansatz über Themenbereiche, Sektoren und Disziplinen hinweg. Ein derartiger kollaborativer, multisektoraler Ansatz und die Schaffung eines Klimas, in dem ein solches Denken und eine solche Praxis befördert werden, sind wichtige Schritte auf dem Weg zum Erreichen unseres gemeinsamen Ziels: der effektiven Bekämpfung von Mangelernährung unter extrem schwierigen Rahmenbedingungen.